Den Hans-Litten Preis der VDJ 2014 erhält Rechtsanwalt Selçuk KOZAĞAÇLI Präsident des ÇHD
Die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen wird dem türkischen Rechtsanwalt und Präsidenten des Vereins Progressiver Anwältinnen und Anwälte Selçuk KOZAĞAÇLI den Hans-Litten-Preis am 17. Mai 2014 verleihen. Mit dem Preis ehrt die VDJ das mutige, nachhaltige und aufopferungsvolle Engagement von Selçuk KOZAĞAÇLI und seiner AnwaltskollegInnen im ÇHD für Demokratie, Menschenrechte, Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit.
Die VDJ drückt mit der Preisverleihung auch ihre Besorgnis aus über die staatlichen Repressionen und insbesondere Massenverhaftungen von engagierten AnwältInnen in der Türkei.
Seit dem Beitritt des ÇHD zum europäischen Dachverband der VDJ, der Europäischen Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt e.V. (EJDM) konnte die VDJ sich vom Engagement der türkischen AnwaltskollegInnen und der gegen sie gerichteten staatlichen Repressionen ein Bild verschaffen. Eindringliche Vorstellungen vermittelte Selçuk KOZAĞAÇLI hierüber in seinem Vortrag auf der von der EJDM 2012 in London mit organisierten Konferenz „Human Rights Defenders".
Der ÇHD wurde 1990 von 48 AnwältInnen wieder gegründet - nachdem er fast 20 Jahre lang während der Militärdiktatur seine Aktivitäten eingestellt hatte - und erklärte es als sein Ziel, „die Gesetze im Sinne der Humanität zu verbessern, ein Rechtssystem zu errichten, welches gegründet ist auf der freien Entfaltung der Humanität und der Demokratie, die Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen, insbesondere das Recht auf Leben und die Menschenwürde". In diesem Sinne ist der ÇHD seit über 20 Jahren aktiv und hat heute über 2.500 Mitglieder in allen Regionen der Türkei. Seit 2011 ist Selçuk KOZAĞAÇLI Präsident des ÇHD.
Mit großer Sorge verfolgen die VDJ und die mit ihr in der EJDM organisierten KollegInnen die massenweise und oft gewaltsame Verhaftung von AnwältInnen in der Türkei und die gegen sie gerichteten Massenprozesse. Viele der angeklagten und inhaftierten Anwältinnen und Anwälte sind Mitglieder des ÇHD. In dem am 24. – 26. Dezember 2013 beginnenden Prozess sind nur Mitglieder des ÇHD angeklagt und inhaftiert, darunter auch der Präsident des ÇHD Selçuk KOZAĞAÇLI.
Dieses Verfahren reiht sich in eine Vielzahl bereits laufender Verfahren gegen türkische und kurdische Anwälte und Anwältinnen ein. Derzeit läuft ein Verfahren gegen 46 Angeklagte, welches seit Beginn von europäischen ProzessbeobachterInnen verfolgt wird. Nach ihrer übereinstimmenden Ansicht werden in diesem Verfahren nicht nur internationales und europäisches Recht verletzt, sondern auch die Vorschriften der türkischen Strafverfahrensordnung. Unter Verstoß gegen die UN „Grundprinzipien betreffend die Rolle der Rechtsanwälte" wird den AnwältInnen ihre engagierte legale Berufsausübung zum Vorwurf gemacht und sie werden mit ihren MandantInnen gleichgesetzt. Diese staatlichen Repressionen zielen nicht nur gegen die davon betroffenen AnwältInnen, sondern auch gegen ihre MandantInnen, die auf diese Weise um ihre Strafverteidiger beraubt werden. Die Repressionen zielen sowohl gegen den ÇHD insgesamt und dessen Mitglieder als auch gegen die gesamte Anwaltschaft. Die für die Regierung unbequemen AnwältInnen sollen eingeschüchtert und in ihrer beruflichen Existenz vernichtet werden. Durch die Preisverleihung will die VDJ auch ein Zeichen der Solidarität mit ihren bedrohten KollegInnen in der Türkei setzen. Seit langem fordern VDJ und EJDM die Freilassung der inhaftierten AnwältInnen.
Die VDJ appelliert an die türkische Regierung Herrn Rechtsanwalt Selçuk KOZAĞAÇLI, den Präsidenten des Vereins Progressiver Anwältinnen und Anwälte in der Türkei – ÇHD - Çağdaş Hukukçular Derneği die Teilnahme an der Preisverleihung zu ermöglichen, ihn aus der ohnehin nicht gerechtfertigten Untersuchungshaft frei und an der Preisverleihung teilnehmen zu lassen. Herr Selçuk KOZAĞAÇLI hat durch seine Rückkehr aus dem Ausland in die Türkei, obwohl ihm die Massenverhaftungen ebenso wie das Vorliegen eines Haftbefehls gegen ihn bekannt waren, bewiesen, dass er nicht beabsichtigt, sich dem Strafverfahren zu entziehen.
Der Hans-Litten-Preis wurde in den vergangenen Jahren verliehen an Gareth Peirce, England (2012), Tirza Flores Lanza, Honduras (2010), Heinrich Hannover, Deutschland (2008), Michael Ratner, U.S.A. (2006), Lea Tsemel und Mohammad Na'amneh, Palästina/Israel (2004), Regina Kalthegener, Deutschland und Eren Keskin, Türkei (2000).
Die VDJ verleiht den Hans-Litten-Preis alle zwei Jahre an Juristinnen und Juristen, die in besonders hohem Maße demokratisches Engagement bewiesen haben. Benannt ist dieser Preis nach einem Juristen aus der Weimarer Republik, der zu den bedeutendsten Anwälten der Arbeiterbewegung jener Zeit zählte: Hans Litten. Er wurde von den Nazis durch fünf Jahre andauernde Inhaftierung und Folter in den Tod getrieben.