Laudatio an Barabara Hüsing und Felicia Langer
Am 5. Februar 1988 fand in Dachau eine gemeinsame Gedenkfeier des RAV und der VDJ für Hans Litten statt. Im Rahmen dieser Feierstunde wurde der Hans-Litten-Preis an die beiden Rechtsanwältinnen Barbara Hüsing und Felicia Langer vergeben.
Von Prof. Dr. Norman Paech
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen
Preise gibt es in der Republik genug - auch für Juristen. Und wer gerade die erschütternde Lebensgeschichte Hans Littens gehört hat, wird zu Recht fragen: wer könnte sich überhaupt an der Radikalität und dem Mut dieses Mannes messen las-sen?
Und Preisträgerinnen müssen sich messen lassen! Trotz dieser Frage haben wir - ich kann es ganz offen sagen - überhaupt keine Schwierigkeiten gehabt, nachdem wir den Namen und die Person Hans Litten „wiedergefunden" hatten. Und Felicia Langer wie Barbara Hüsing waren ganz spontane Entscheidungen ohne die sonst wohl üblichen Jurorenquerelen.
Wir wollen keinen zweiten Hans Litten, möge niemand mehr einen solchen Gang gehen müssen. Wir möchten mit diesem Preis die Erinnerung an ihn über diese Gedenkfeier hinaus erneuern und lebendig halten. Wir möchten auf solche Persönlichkeiten hinweisen, deren Tätigkeit wir in der Tradition Hans Littens stehend sehen, und versuchen, sie öffentlich und ihre Vorbildlichkeit deutlich zu machen. Wir möchten mit dieser Anerkennung die andere Berufstradition, die über den juristischen Job hinausgeht und eine gesellschaftliche Verantwortung mit entsprechendem Tateinsatz verlangt, fördern.
Wir vergessen dabei nicht, daß Menschen nie allein arbeiten. Hans Litten hätte ohne die Unterstützung von Margot und Max Fürst und vieler anderer seinen Kampf nicht bestehen können. Dies gilt auch für die beiden Preisträgerinnen - und die, die mit ihnen arbeiten, haben, wenn auch hier ungenannt, Teil an diesem Preis.
Was hat uns nun bewogen, einer Rechtsanwältin für Straf- und Familienrecht, Barbara Hüsing, diesen Preis zu verleihen? Es kann. eben nicht die normale Tätigkeit der Vertretung individueller Interessen vor Gericht und gegenüber der Staatsanwaltschaft, sein. Es kann auch nicht ein Heroismus sein, den dieses Land der Kohl und Höfer weder bedarf noch hervorzubringen in der Lage ist. Nein, es ist die Entscheidung, einen Beruf nicht aus der Anpassung des juste milieu, aus der Konvention des Standes-comment zu praktizieren, sondern aus der Erfahrung, die bei Juristen so dubios ist, der des Widerstandes.
Das begann mit den ersten Kontakten zu überlebenden Widerstandskämpfern, ihren Versuchen, Rehabilitation und Entschädigung zu bekommen. Der Kontakt zu Angehörigen der Opfer des Faschismus, die nicht begreifen konnten, was in der Justiz der Nachkriegszeit ablief: die gigantische Inszenierung der Kommunistenprozesse, die schäbige Verweigerung der Entschädigung und die krähenhafte Komplizität der Justiz mit ihrer kompromittierten Vergangenheit Daß die Opfer des Nationalsozialismus auch die Opfer der Justiz in der Bundesrepublik werden sollten, ist nur dann eine wichtige Erfahrung, wenn sie das Handeln bestimmt.
Und dies begann für Barbara Hüsing bei einer Gedenkfeier in Hamburg am 20.4.1978 zur Erinnerung an die im Keller der Schule am Bullenhuser Damm kurz vor Kriegsende ermordeten Kinder. „Es reicht nicht, daß Du weinst, Du mußt was tun!" sagten ihr die Angehörigen. Sie beauftragten sie bald darauf, Strafanzeige gegen den SS-Obersturmführer Arnold Strippel zu stellen, der für den Mord verantwortlich, aber bisher noch nicht zur Rechenschaft gezogen worden war. Seit 1979 begannen die Recherchen, die Rekonstruktion des Tatgeschehens, das Aufspüren der Angehörigen ihre Betreuung und Umsorgung - und die Auseinandersetzung mit der Staatsanwaltschaft. Ihre Ermittlungstätigkeit war symptomatisch für so viele Verfahren gegen NS-Verbrecher: die Entfaltung heftiger Scheinaktivitäten nach allen Seiten ohne genaue Zielrichtung. Daß es Ende 1983 zur Anklage kam, war nur dem Druck der Öffentlichkeit zuzuschreiben, den Barbara Hüsing und Günter Schwarberg mittlerweile hervorgerufen hatte. Aber es kam wie es kommen mußte, die Justiz weigerte sich zunächst, das Verfahren zu eröffnen und setzte den Täter schließlich im August 1987 mittels medizinischer Gutachten außer Verfolgung.
Im Jahre 1982 war bereits ein anderes Verfahren in Frankfurt gegen Strippel eingestellt worden. Er war nämlich vor Neuengamme bei Hamburg Lagerführer im holländischen KZ Vuight gewesen, wo ihm ein ebenfalls tödlich verlaufenes Mißgeschick widerfahren war. Er hatte 70 Frauen über Nacht in eine Zelle pressen lassen, am nächsten Morgen waren 10 von ihnen gestorben. Nachdem die Staatsanwaltschaft in Frankenthal das ihr übersandte Material 11 Jahre unbearbeitet hatte liegenlassen - der rheinland-pfälzische Justizminister Theissen mußte im Herbst 1979 zurücktreten, weil er versucht hatte, seine säumigen Staatsanwälte mit falschen Auskünften zu decken - stellte das später zuständige LG Frankfurt das Verfahren ein: es habe sich nur um eine Körperverletzung mit Todesfolge auf grober Gedankenlosigkeit gehandelt und die sei verjährt. Wir kennen allmählich die zahlreichen juristischen und biologischen Schlupfwinkel, die die Justiz den Tätern freilegte.
Diese Justiz hat nicht verdrängt, sie hat Schwerstarbeit geleistet, die alten Faschisten zu integrieren und zu rehabilitieren. Und wer dagegen stand, auf der Seite der Opfer, hat nicht minder schwer gegen Justiz und Öffentlichkeit arbeiten und zugleich die Aufgabe übernehmen müssen, die konsternierten Angehörigen, die das alles nicht glauben wollten, über die besondere Spielart des nachfaschistischen Rechtsstaats aufzuklären.
Dies war der Faden, aus dem sich für viele die Resignation wob. Barbara Hüsing trat immer wieder an. Am 1.5.1984 erhob sie mit mehreren Kollegen im Namen polnischer Angehöriger Anzeige wegen Massenmordes in der Neustädter Bucht bei Lübeck. Dorthin waren kurz vor Kriegsende mehrere hundert Häftlinge aus dem KZ Danzig Stutthoff auf Lastkähnen verschifft worden. Wohin sie sollten, ist noch ungeklärt, wohin sie kamen nicht. Sie wurden erschossen. Beteiligt war die organisierte Hitlerjugend Neustadts, wie die eigenen Recherchen ergaben. Die Staatsanwaltschaft Lübeck ermittelt immer noch, befragt die von Barbara Hüsing angegebenen Zeugen. Ein Ende der Ermittlungen ist nicht in Sicht, die Erfahrung läßt das Ende der Ermittlungen ahnen. Wer derart die Verantwortung der Nazis in der Bürokratie begräbt, ist auch ohne Konzept gegen die nachgeborenen Nazis. Jörg Friedrich hat schon recht mit seinen Worten: „Der Nerv ist schon lange taub, auf dem Naziverbrechen weh tun. Rechtsseitig gelähmt, verspürt die Bundesrepublik Deutschland die nazistische Berührung nicht, selbst wenn schon Blut fließt. Sie hat so viele NS-Verbrecher in die Arme schließen müssen, daß ihr die Arme abgestorben sind, mit denen sie sich der kommenden erwehren soll."
Wer die alten Faschisten umarmt, kann die neuen nicht bannen. Wie z. B. den faschistischen Anwalt Rieger in Hamburg, den Barbara Hüsing im Auftrag Hamburger Juden vor die Gerichte brachte, weil er zur Verteidigung des ehemaligen Kommandanten des Warschauer Gettos vor Gericht behauptet hatte, der Grund für die Errichtung und Absperrung des Warschauer Gettos sei das Bestreben gewesen, den Flecktyphus einzudämmen, es sei „durchaus fraglich, ob auch nur ein Jude an Hunger im Getto gestorben wäre, wenn es mehr Solidarität unter den Juden gegeben hätte."
Der Ausgang dieses Gerichtsverfahrens ist bekannt. Der BGH hat Rieger jüngst freigesprochen. Er räumte zwar ein, daß dieser die Juden beleidigt habe, meinte aber, daß dies durch sein Mandat als Verteidiger gedeckt sei. Ich weiß, wie kontrovers, d. h. auch positiv diese Entscheidung selbst in fortschrittlichen Kreisen der Anwaltschaft aufgenommen worden ist. Aber man möge sich die Frage stellen: Hat der BGH etwa die Verteidigerrechte geschützt, ja erweitert, daß er einem Nazi erlaubt, Juden öffentlich zu beleidigen? Es scheint mir eine Illusion zu sein, in diese Entscheidung die Hoffnung hineinzulegen, daß er auch nach links so genauso generös verfahre. Eine rechts-links Symmetrie haben sich die Gerichte nie aufzwingen lassen.
Barbara Hüsing hat diesen Prozeß wie auch die anderen aus einer Haltung des Antifaschismus heraus geführt, die ebenso illusionslos wie kompromißlos die Lehren aus der Geschichte gezogen hat: gegenüber diesen Leuten ist jede Liberalität falsch. Dies ist vor allem eine Lehre, die wir aus dem Wirken Hans Littens ziehen müssen, alle seine Prozesse fanden schließlich vor 1933 statt!
Was hat uns bewogen, einer Rechtsanwältin aus Israel, Felicia Langer, diesen Preis zu verleihen? Mischen wir uns damit nicht in einen Konflikt ein, den wir Deutschen auf jeden Fall umgehen sollten? Oder ist es Legitimation genug, einer Jüdin aus Polen, deren ganze Familie von den Deutschen vernichtet wurde, deren Ehemann Überlebender aus 5 Konzentrationslagern ist, einen Preis zu verleihen?
Die Antwort auf beide Fragen ist: nein.
Felicia Langers Tätigkeit ist seit Jahrzehnten in der Bundesrepublik bekannt. Ihr Buch „Mit eigenen Augen" ist 1977 hier erschienen. Ihre Arbeit ist in Frankreich und den USA mehrfach ausgezeichnet worden. Nur hier ist die Würdigung ihrer Tätigkeit schwierig, denn sie ist umstritten in Israel, ja „gehaßt", wie sie es in einem Interview mit der Newsweek ausgedrückt hat.
1965 wurde sie in Tel Aviv als Rechtsanwältin zugelassen. Ihre ersten Fälle waren arabische Demonstranten, Arbeiter, junge Kriminelle, von ihren Männern verlassene Frauen. Sie trat der Israelischen Liga für Menschenrechte bei. Im Jahre 1967 nach der Besetzung der Golanhöhen, der Westbank und des Gazastreifens durch israelische Truppen richtete sie ein Büro in Jerusalem ein, um die palästinensische Bevölkerung vor den Militärgerichten zu verteidigen. Dies ist es aber nicht allein, worauf die Jerusalem Post in einem großen Artikel über Felicia Langer anspielte, als sie im Jahre 1983 schrieb: „Diese Rechtsanwältin in einem Gespräch - selbst unter gebildeten Liberalen - erwähnen, erzeugt starke Äußerungen des Hasses und der Abneigung."
Es ist vielmehr die Tatsache, daß sie schon frühzeitig in die Kommunistische Partei Israels eintrat und sich nie mit den zionistischen Zielen des israelischen Staates identifizieren konnte. Entgegen dem „kollektiven Alkoholismus", den der Krieg, wie sie 1974 schrieb, in der jüdischen Bevölkerung erzeugte, „hinterließ er bei mir ein sehr seltsames und tiefes Gefühl, daß sich eine Katastrophe ereignet hat, die schreckliche Folgen für die Gesellschaft haben könnte. Und ich begriff, daß dies für mich ein weiteres Moment der Wahrheit war, genauso wie jenes, welchem ich bei meiner Ankunft in Israel begegnete... Und wiederum konnte ich am Rande bleiben und darüber weinen, wie schlecht die Situation war. Oder ich konnte meine Gefühle in Handeln umsetzen. Ich tat es, indem ich eine Praxis in Jerusalem eröffnete. Ich wußte, daß die Araber der Westbank juristischen Rat benötigten - alle ihre Rechtsanwälte hatten beschlossen, die israelischen Gerichte zu boykottieren."
Derzeit befindet sich Felicia Langer selbst im Boykott gegen die Militärgerichte, gemeinsam mit allen arabischen Anwälten. Dies ist nur eine der unerbittlichen Konsequenzen ihrer Entscheidung im Jahre 1967, die sie ursprünglich nur für einige Monate getroffen zu haben glaubte. Eine andere war der Entzug ihrer Lizenz im Jahre 1977, die ihr die Berechtigung nahm, vor Militärgerichten in Israel, vornehmlich in Vertretung von Kriegsdienstverweigerern, aufzutreten. Dies war das erste Mal, daß einem Rechtsanwalt diese Lizenz entzogen worden war. Sie konnte darüber hinaus von jedem israelischen Gericht, Militär- oder Zivilgericht, ausgeschlossen werden, wenn das Verteidigungsministerium Sicherheitserwägungen anmeldete. Sie war praktisch auf die Militärgerichte in den besetzten Gebieten beschränkt.
Und so konzentrierte sich ihre Tätigkeit auf die Vertretung von Palästinensern in ihren Auseinandersetzungen mit den israelischen Militärbehörden um Landeigentum, den Besitz illegaler Literatur - selbst Shakespeares „Kaufmann von Venedig" ist in den besetzten Gebieten verboten, illegale Propaganda, wie z. B. das Zeigen der palästinensischen Flagge oder die Verwendung der Farben dieser Flagge - schwarz, weiß, grün, rot - in einem Bild, die Zugehörigkeit zu einer palästinensischen Organisation oder die zahlreichen Fälle der Deportation.
Der Inhalt und die Radikalität der Arbeit Felicia Langers ist überhaupt nur verständlich, wenn man sich annähernd eine Vorstellung davon machen kann, was in den besetzten Gebieten vor sich geht. Es war vorwiegend Felicia Langer, die die Tatsachen über die Besatzungspolitik in der Welt bekanntmachte: Nicht nur die Folterungen in den israelischen Gefängnissen, die Strangulierung der Bevölkerung und die Politik der Entvölkerung. Sie informierte die Öffentlichkeit über den Grund, den Kern dieser Katastrophe: das Ziel der israelischen Regierungen, diese Gebiete zu annektieren, zu kolonisieren und niemals wieder herauszugeben. Über 1/3 des Landes in den Westbank und im Gazastreifen ist derzeit bereits fest in israelischen Siedlerhänden mit eigener Infrastruktur: Straßen, Elektrizität, Wasserversorgung und Telefonnetz, von denen die umwohnenden Araber ausgeschlossen sind.
Araber werden nur bei den Bauarbeiten zugelassen. Bei einer Bevölkerung von ca. 1,2 Mio. Palästinensern kann man heute davon ausgehen, daß etwa 100.000 lsraelis in über 120 Siedlungen in den besetzten Gebieten leben. Die Pläne der Zionistischen Weltorganisation gehen weiter. Bis zum Jahre 2010 soll das Zahlenverhältnis zwischen Palästinensern und jüdischen Siedlern umgekehrt sein, was man wiederum nur durch einen massiven Exodus der Palästinenser wird erreichen können.
Darauf ist die Besatzungspolitik ausgerichtet: das Leben in den besetzten Gebieten - ca. 300.000 vegetieren dort in den Flüchtlingslagern - soll so unerträglich gemacht werden, daß die Einwohner schließlich freiwillig das Land verlassen. Das Wort „araberfrei" - welch furchtbare Erinnerung an „judenfrei" - hat inzwischen auch für Israel Eingang in die hebräische Sprache gefunden.
Der Wille zu Annexion und Vertreibung steht am Ausgangspunkt aller offenen und versteckten Unterdrückung, Repression und Verfolgung, die sich zu einem unverhüllten und alltäglichen Rassismus gegen Araber gesteigert hat. Gaza-Bantustan heißt eine Schrift, die mir vor 14 Tagen in Gaza ein Arzt mit den Worten überreichte: „Sie wollen uns paralysieren, unsere Identität zerbrechen, daß wir aufhören, von unserem Selbstbestimmungsrecht, von einem eigenen palästinensischen Staat zu sprechen."
In dieser fanatisierten Situation - Verteidigungsminister Rabin von der Labour-Party: „Es ist besser, ihnen die Knochen zu brechen, als sie in die Gefängnisse zu stecken", - die ohnehin überfüllt sind - in dieser fanatisierten Situation als israelische Rechtsanwältin auf dem Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser und einem eigenen palästinensischen Staat zu bestehen und diese Überzeugung in zwanzigjähriger Tätigkeit durch die Vertretung palästinensischer Arbeiter, Frauen, enteigneter Grundbesitzer, geprügelter Lagerbewohner, gefolterter Häftlinge und eingekerkerter Kinder zu praktizieren, bedarf einer Stärke, Konzessionslosigkeit und Ra-dikalität im Kampf um das Recht, die an Hans Litten erinnert.
Die Arbeitsbedingungen haben sich seit dem Aufstand der Palästinenser noch verschärft. Gab es vorher noch Militärverordnungen, die dem Prozeßverfahren einen gewissen kalkulierbaren Rahmen gaben, so halten sich die Gerichte derzeit an nichts mehr: Eine Delegation der US-amerikanischen National Lawyers Guild stellte kürzlich bei Massenprozessen vor den Militärgerichten mit bis zu 100 Häftlingen an einem Tage fest, daß weder die nach der 4. Genfer Konvention von 1949 noch nach dem Internationalen Pakt für bürgerliche und politische Rechte von 1966 garantierten Rechte für Angeklagte und Verteidigung respektiert würden, und daß daher der Boykott der Gerichte vollkommen gerechtfertigt sei.
Mehr noch, das, was in dem Nürnberger Statut von 1945, der Rechtsgrundlage für die Verurteilung der Hauptkriegsverbrecher, als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezeichnet worden und von der Genfer Konvention absolut verboten ist, nämlich Deportationen, wird von Israel auch heute noch praktiziert.
Felicia Langer hat auch in diesen Prozessen vor dem Obersten Gerichtshof in Jerusalem plädiert: vergeblich. Die Chancen für die Palästinenser vor diesem Gerichtshof scheinen trotz der einstimmigen Verurteilung der Deportationspolitik durch den UN-Sicherheitsrat gleichfalls aussichtslos zu sein, so daß die letzten Betroffenen - entgegen dem Rat ihrer Rechtsanwälte - ihre Klagen Ende Januar zurückgezogen haben.
Was gibt einer israelischen Rechtsanwältin in dieser aussichtslos erscheinenden Situation überhaupt noch die Kraft, weiterzumachen? „Keine Partei", so ihre Antwort gegenüber der Jerusalem Post, könnte mich veranlassen, so zu leben wie ich es tue - unterwegs mit einem Leibwächter, ohne Telefonnummer im Telefonbuch, kaum Zeit für meine Familie. Meine Partei hat mich in der Tat genausowenig wie irgend jemand anders jemals bewogen, in den besetzten Gebieten zu arbeiten. Vergessen Sie nicht, daß wenigstens 100 Anwälte zu der Partei gehören, aber ich bin die einzige, die diesen Job macht. Ich fühle, daß ich ihn mehr für mein Heimatland, für Israel, denn für die Palästinenser mache."
Auch in Zeiten wie diesen ist leider manchmal Heroismus notwendig. Wir können glücklich sein, daß er in unserer Gesellschaft derzeit nicht gefordert ist. Was aber Not tut auf jeden Fall, sind Juristen, die radikal und kompromißlos die Seite der Opfer dieser Gesellschaft, der Demokratie und des Rechts verfechten, die die andere Tradition der Juristen fortführen. Daß wir in Barbara Hüsing und Felicia Langer zwei Juristinnen dieser Tradition haben, ist Anlaß zur Freude, zum Dank und allemal einen Preis wert.
Anmerkung:
Norman Paech ist Völkerrechtler und lehrt an der Hochschule für Wirtschaft und Politik in Hamburg