Öffentliche Flughäfen als grundrechtsfreie Zonen?
Seit längerem verhängt die Betreibergesellschaft des Frankfurter Flughafens, die FRAPORT AG, Hausverbote gegen Personen, die sich auf dem Gelände des Flughafens an Protestaktionen z. B. gegen die Abschiebung von Flüchtlingen beteiligen. Das LG Frankfurt a. M. hat nunmehr mit Entscheidung vom 20. Mai 2005 das gegen ein Mitglied des „Aktionsbündnisses Rhein-Main gegen Abschiebungen“ verhängte Hausverbot für den Frankfurter Flughafen bestätigt.
Dazu erklärt die VDJ:
Die friedliche Wahrnehmung der Grundrechte der Meinungs- und der Versammlungsfreiheit, gerade und auch zum Ausdruck des Protests gegen staatliche Maßnahmen, ist konstitutiv für die Demokratie und durch unser Grundgesetz ausdrücklich geschützt – sie darf nicht zu Hausverboten führen! Schließlich ist FRAPORT als sich mehrheitlich im Staatseigentum befindliche AG ebenso zur Beachtung der Grundrechte verpflichtet wie auch die hoheitlich handelnden Staatsgewalten.
Dies folgt aus Art. 1 Abs. 3 Grundgesetz und ist vom VGH Kassel auch ausdrücklich für die FRAPORT AG im Hinblick auf Versammlungen auf dem Flughafengelände festgestellt worden (Urteil vom 14. 3. 2003, NVwZ 2003, 874). Das LG Frankfurt a. M. meint hingegen, diese Gerichtsentscheidung schlicht übergehen zu können, indem sie mit keiner Silbe erwähnt wird. Wie auch der BGH in ständiger Rechtsprechung hervorgehoben hat, darf sich der Staat nicht durch die „Flucht in das Privatrecht“ seiner Grundrechtsbindung begeben (Vgl. z. B. BGHZ 29, 76 [80]; 52, 325 [328]; 91, 84 [96 ff.]). Daran muss angesichts der Überführung zahlreicher Staatsbetriebe in Unternehmensformen des Privatrechts (sog. formelle Privatisierung) in den letzten Jahren nachdrücklich erinnert werden.
Selbst aber bei einem Verkauf der staatlichen Anteile an Private (materielle Privatisierung) wäre es höchst fragwürdig, eine wichtige Infrastruktureinrichtung wie einen Flughafen zwar für jedermann zum Zwecke des Reisens, aber auch als Flanier- und Konsummeile zugänglich zu machen, zugleich aber die nichtkommerziell motivierte Grundrechtswahrnehmung zu unterbinden: Nach dem Grundgesetz haben Fortbewegungs- und Konsummöglichkeiten keineswegs einen höheren rechtlichen Rang als die Inanspruchnahme von Grundrechten zur demokratischen Meinungs- und Willensbildung. Die zunehmende Privatisierung des öffentlichen Raums darf nicht zu einer schrittweisen Außerkraftsetzung unserer Grundrechte führen!
Berlin, 29. Juni 2005
Hinweis:
Nachdem der Bundesgerichtshof im Januar 2006 in dritter und letzter Instanz das von der Fraport AG im März 2003 gegen Julia Kümmel (Aktionsbündnis gegen Abschiebung Rhein-Main) ausgesprochene Hausverbot als rechtmäßig bestätigt hat, hat Julia Kümmel am 15. März 2006 Verfassungsbeschwerde eingelegt.