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Aktuelles

Sicherheitsstaat am Ende. Kongress zur Zukunft der Bürgerrechte

Die Politik der „Inneren Sicherheit“ forciert seit einigen Jahren den Ausbau staatlicher Befugnisse. Der Bundestag hat allein in den vergangenen sieben Jahren über 50 Gesetze verabschiedet, die tief in die Bürgerrechte eingreifen. Sie reichen von der Registrierung der Konten- und Reisebewegungen über die Speicherung biometrischer Daten bis zur Überwachung der Kommunikation. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht absehbar; im Sicherheitsstaat ist kein Platz für die Rechte der BürgerInnen.

Die Begründungen für diese Politik sind beliebig austauschbar. Waren es gestern „Organisierte Kriminalität“, „Ausländerkriminalität“ oder "Jugendgewalt", so wird heute der “Internationale Terrorismus“ angeführt, vor dem nur ein mächtiger Staat schützen könne. Das so geschaffene Klima der Angst verhindert eine nüchterne Betrachtung der vermeintlichen Bedrohungen. Statt dessen wird der Staat mit immer weitergehenden Machtbefugnissen ausgestattet. Rechtliche Grenzen werden ausgehöhlt, unterschiedliche Sicherheitsapparate kooperieren, modernste Überwachungstechnik wird dienstbar gemacht. Der Sicherheitsstaat stellt eine unkontrollierbare Bedrohung für eine liberale Gesellschaft, für die Bürger- und Menschenrechte dar.


Seit 1997 präsentieren neun deutsche Bürger- und Menschenrechtsorganisationen jährlich den Grundrechte-Report. Er berichtet über staatliche Freiheitseinschränkungen und die Entwicklung der von der Verfassung garantierten Rechte. Die Bilanz fällt ein ums andere Mal negativ aus – insbesondere im Feld der Inneren Sicherheit. Die Missachtungen von Grundrechten erschöpfen sich nicht in Einzelfällen, sie stehen im Zusammenhang mit dem Ausbau staatlicher Überwachung und Kontrolle. Im Rahmen der Konferenz wollen die Veranstalter diese Entwicklungen der vergangenen Jahre analysieren. Gleichzeitig sollen konkrete Vorschläge diskutiert werden, wie Verletzungen der Grundrechte wirksamer verhindert und die Fülle staatlicher Macht eingeschränkt und kontrolliert werden können.


Die Legitimität des Sicherheitsdenkens hat in den letzten Jahre Risse bekommen. Diese zu vertiefen, ist das Ziel der Konferenz.


Das Programm.


Zur Anmeldung.



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Freitag, 23. Mai 2008

Audimax im Hauptgebäude der Humboldt-Universität


18.00    Eröffnung


18.30    "Der Staat und die Bürger(rechte). Zum Stand eines Verhältnisses"

Heribert Prantl

Leiter Innenpolitik der Süddeutschen Zeitung, München


19.30    "Öffentliche Inszenierung von Sicherheitsfragen"

PD Dr. Reinhard Kreissl

Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie, Wien


anschließend Diskussion

21.30    Empfang



Samstag, 24. Mai 2008

Audimax im Hauptgebäude der Humboldt-Universität


09.00    Vorstellung der Foren


09.30    Foren (Details sowie Tagungsräume siehe unten)


13.00    Mittagspause


14.00    Plenum: Diskussion der Ergebnisse der Foren


15.30    Pause


16.00    "Zukunft und Chancen der Bürgerrechte"

Podiumsdiskussion mit:


Heiner Busch (Komitee für Grundrechte und Demokratie),

Wolfgang Kaleck (European Center for Constitutional and Human Rights, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein), Constanze Kurz (Chaos Computer Club), Prof. Dr. Dieter Rucht (Wissenschaftszentrum Berlin), Dr. Fritz Storim (angefr.),

Moderation: Gabriele Gillen (Journalistin, angefr.)





FOREN:


1. Prävention ohne Grenzen

(Hauptgebäude, Raum 2014a)


Der Staat weitet seine Eingriffsbefugnisse stetig aus. Überwachung und Kontrolle finden zunehmend im „Vorfeld“ einer Gefahr oder Straftat statt und betreffen eine immer größer werdende Anzahl von Personen. Damit sollen Risiken erkannt und gebannt werden, lange

bevor tatsächlich etwas passiert. In dem Forum soll der Frage nachgegangen werden, wie das Konzept der Prävention konkret aussieht und welche neuen Formen von Überwachung und Eingriffen damit verbunden sind. Was sind die gesellschaftlichen Hintergründe der Auflösung rechtsstaatlicher Begrenzungen staatlichen Handelns? Was sind die gesellschaftlichen Folgen und was können Ansatzpunkte für eine bürgerrechtliche Intervention sein?


Referenten: Dr. Leon Hempel (Technische Universität Berlin), Prof. Dr. Norbert Pütter (Institut für Bürgerrechte und Polizei/CILIP), Dr. Fredrik Roggan (Rechtsanwalt), Tobias Singelnstein (Freie Universität Berlin)

Moderation: Peer Stolle (Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein)



2. Demonstrationsfreiheit als Gnadenakt?

(Hauptgebäude, Raum 2014b)


Nicht zuletzt seit dem G8-Gipfel haben DemonstrantInnen den Eindruck, die grundrechtlich verbürgte Versammlungsfreiheit werde nur nach Belieben polizeilicher Führungsstäbe anerkannt. Demonstrierende Menschen müssen sich identifizieren lassen, erhalten keinen Zugang zum Versammlungsort oder zu einer anwaltlichen Vertretung. Welchen Stellenwert haben die liberalen Grundsätze des Brokdorf-Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts heute noch? Wie lässt sich ein Missbrauch polizeilicher Befugnisse im Umfeld von Großdemonstrationen verhindern? Wie kann erreicht werden, dass die Polizei ihrer lang vernachlässigten Aufgabe nachkommt, die Versammlungsfreiheit zu schützen?


Referenten: Prof. Dr. Martin Kutscha (FH für Verwaltung und Rechtspflege Berlin), Michael Plöse (Arbeitskreis kritischer Juristinnen und Juristen)

Moderation: Karen Ullmann (Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein, angefr.)



3. Militarisierung der Politik und des Rechts

(Juristische Fakultät, Raum 139a)


Mit Hilfe eines missbräuchlich konstruierten Sicherheitsbegriffs werden zunehmend Art und Umfang der Inlandseinsätze von Polizei und Bundeswehr z. B. beim G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 defi niert. Einsatzszenarien beziehen militärische Mittel ein und verwischen die verfassungsrechtlich zugewiesene Aufgabenteilung. Die problematische Wirkung zunehmender Militarisierung lässt sich an verschiedenen Formen zivil-militärischer Zusammenarbeit belegen – vom Katastrophenschutz im Inland bis zu Kooperationen bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr.


Referentinnen: Dr. Ute Finckh-Krämer (Bund für Soziale Verteidigung, Gustav Heinemann-Initiative), Prof. Dr. Rosemarie Will (Humboldt Universität, Berlin)

Moderation: Werner Koep-Kerstin (Gustav Heinemann-Initiative)



4. Ökonomische Macht versus Grundrechte

(Juristische Fakultät, Raum 140/142)


In Zeiten des Neoliberalismus ist es um die Grundrechte abhängig Beschäftigter und derjenigen, die von staatlichen Sozialleistungen abhängig sind, schlecht bestellt. Wesentliche grundrechtliche Freiheiten (Persönlichkeitsschutz, Datenschutz, Freizügigkeit) wurden für EmpfängerInnen von ALG II faktisch abgeschafft, sie sind gegenüber den Ämtern bereits „gläserne Menschen“. Aber auch die Grundrechte der abhängig Beschäftigten sind angesichts einer nach wie vor herrschenden Massenarbeitslosigkeit und zunehmender prekärer Beschäftigungsverhältnisse in den Betrieben in Gefahr. Inwieweit können ArbeitnehmerInnen noch für ihre Rechte eintreten? Sind ArbeitgeberInnen überhaupt noch bereit, die kollektiven Interessenvertretungen (Gewerkschaften, Betriebs- und Personalräte) zu akzeptieren?


Referenten: Dr. Detlef Hensche (Rechtsanwalt), Udo Geiger (Richter am Sozialgericht, Berlin)

Moderation: Dieter Hummel (Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen)



5. Zweierlei Grundrechtsschutz für MigrantInnen und Deutsche?

(Juristische Fakultät, Raum 144)


Gegenüber MigrantInnen und Flüchtlingen werden die Grundrechte oft schneller und tiefgreifender als für andere BürgerInnen beschnitten. Sie sehen sich in vielen Situationen der Gefahr einer Freiheitsentziehung ausgesetzt, die Möglichkeiten zur Inhaftierung von Asylsuchenden wurden erst im letzten Jahr wieder ausgeweitet. Auch der Anspruch auf den Schutz ihrer persönlichen Daten ist für MigrantInnen und Flüchtlinge seit Jahren massiv eingeschränkt. Die Erfassung biometrischer Daten und zentrale Melderegister für Asylsuchende wie Visa-AntragstellerInnen sind nur zwei Beispiele dafür, dass sicherheitspolitische Eingriffe in die Grundrechte von Nichtdeutschen schnell zum Türöffner werden können und alle BürgerInnen betreffen.


ReferentInnen: Sönke Hilbrans (Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein), Marei Pelzer (Pro Asyl), Dr. Ruth Weinzierl (Deutsches Institut für Menschenrechte)

Moderation: Berenice Böhlo (Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein)



6. Umbau der Sicherheitsarchitektur

(Hauptgebäude, Raum 3088)


Seit den 1990er Jahren lässt sich ein massiver Umbau der Sicherheitsarchitektur in Deutschland beobachten. Kompetenzen werden von den Ländern auf die Bundesebene verlagert, die Zentralisierung der Sicherheitspolitik schreitet voran. Die verschiedensten Sicherheitsinstitutionen tauschen nicht mehr nur Daten aus, ihre ursprüngliche Aufgabentrennung wird immer mehr verwischt. Sie entziehen sich damit zunehmend einer rechtsstaatlichen Kontrolle. Das Forum beleuchtet Aspekte und Hintergründe dieser Entwicklung. In ihm soll diskutiert werden, wie sich hierdurch die Rolle des Staates ändert und was dies für die BürgerInnen bedeutet.


ReferentInnen: Gabriele Heinecke (Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein), Dr. Rolf Gössner (Rechtsanwalt und Publizist, Bremen), Volker Eick (FU Berlin)

Moderation: Prof. Dr. Jörg Arnold (Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht, Freiburg)



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Veranstalter:

Bundesarbeitskreis Kritischer Juragruppen

Gustav Heinemann-Initiative

Humanistische Union

Internationale Liga für Menschenrechte

Komitee für Grundrechte und Demokratie

Neue Richtervereinigung

Pro Asyl

Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein

Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen


Die Tagung findet mit freundlicher Unterstützung der

Holtfort-Stiftung statt.



Die Teilnahme am Kongress ist kostenfrei. Um Anmeldung an folgende Adresse wird gebeten:


Redaktion Grundrechte-Report

c/o Greifswalder Straße 4

10405 Berlin


Elektronische Anmeldungen unter:


www.grundrechte-report.de

service@humanistische-union.de

Fax: 030 204502 57


oder


bundessekretaer@vdj.de



Tagungsort:

Humboldt-Universität zu Berlin

Unter den Linden 6

10117 Berlin


(S- und U-Bahnhof Friedrichstraße

oder Bushaltestelle Staatsoper, Linien 100, 200 TXL)

Bei Presserückfragen wenden Sie sich an: Dr. Andreas Engelmann, Bundessekretär der VDJ, Tel.: 06971163438, E-Mail: bundessekretaer@vdj.de
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