Stellungnahme

Stellungnahme zu den Vorschlägen der Hamburger Initiative zur Reform der Juristenausbildung

Die VDJ begrüßt die Initiative aus der Mitte von Bucerius-Alumnis und der ASJ, den gegenwärtigen Ausbildungs- und Prüfungsstoff in der juristischen Ausbildung in HH einer Überprüfung zu unterziehen. Das Bemühen um eine Reduzierung des Prüfungsstoffs und eine stärkere Betonung methodischer Grundlagenkenntnisse für alle Rechtsgebiete findet unsere volle Unterstützung.

Die vorgelegten Vorschläge für Fachsäuleninhalte im Zivil-, Öffentlichen und Strafrecht begegnen aber vor allem im Zivilrecht entschiedenen Bedenken Die Aussortierung des Arbeitsrechts als sog. „Spezialwissen“ widerspricht nicht nur dem eigenen Ansatz der Initiatoren, eine „Fokussierung auf exemplarisch zu behandelnde Vertragstypen“ vorzuschlagen und dabei u.a. den Dienstvertrag  (§ 611 BGB) zu nennen (Fußnote 9), der ja bekanntlich nucleus und rudimentären Ansatz für das spätere Individualarbeitsrecht darstellt . Warum sollen dann aber andere arbeitsrechtliche Regelungen außerhalb des BGB ausgeklammert werden, allen voran das Kündigungsrecht?

Es darf daran erinnert werden, dass vor allem auf Initiative der SPD der Reichstag 1896 bei Verabschiedung des BGB in einer Resolution die Erwartung ausgesprochen hatte, dass das Recht der Arbeitsverträge „baldthunlichst“ einheitlich geregelt werde. Leider trug diese Aufforderung ebensowenig Früchte wie bei der Wiedervereinigung 1990 der Auftrag des Einigungsvertrags in Art 30 Abs. 1, das Arbeitsvertragsrecht möglichst bald zu kodifizieren. Es ist bedauerlich, dass sich die Initiatoren einreihen in diese unsägliche Geschichte der Untätigkeit des Gesetzgebers und die bedauerlicherweise zersplitterte Materie des Arbeitsrechts aus dem „Fallwissen“ (oder Pflichtkanon) auszuklammern statt sich für eine fundierte Behandlung dieses bedeutsamen Rechtsgebiets zu einzusetzen.

Es ist ferner ein Widerspruch, im Methodenteil  eine interdisziplinäre Durchdringung der jeweiligen Rechtsgebiete zu befürworten und gleichzeitig ein Stoffgebiet mit grundsätzlicher Bedeutung für den erwerbstätigen Teil der Bevölkerung (immerhin die Hälfte der Gesamtpopulation)  eliminieren zu wollen.

Ein weiterer Widerspruch besteht schließlich darin, im Zivilrecht einerseits die Bedeutung des Europarechts und die Anforderungen an eine richtlinienkonforme Auslegung  zu betonen, andererseits aber das Arbeitsrecht auszuklammern, wo dessen Bedeutung am anschaulichsten beobachtet werden kann (z.B. beim Betriebsübergang, den Diskriminierungsverboten nach dem AGG oder dem Befristungsrecht nach dem TzBfG).

Die VDJ plädiert deshalb mit Nachdruck, den Gegenstand „Arbeitsrecht“ im Zivilrecht nicht etwa als Spezialwissen entfallen zu lassen, sondern als Grundlagenwissen auszubauen. Des Weiteren darf das kollektive Arbeitsrecht nicht gänzlich unter den Tisch fallen; wegen des Versagens des individuellen Ansatzes im BGB hat sich das kollektive Arbeitsrecht herausgebildet und ist in dieser Funktion adäquat zu behandeln.  

Prof. Dr. Udo R. Mayer

Jean-Monnet-Professur für Europäisches und deutsches Arbeitsrecht i.R., Universität Hamburg, FB Sozialökonomie / Wiso-Fakultät

Bei Presserückfragen wenden Sie sich an: Dr. Andreas Engelmann, Bundessekretär der VDJ, Tel.: 06971163438, E-Mail: bundessekretaer@vdj.de
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