Stellungnahme

Wir werden nicht Teil dieses Verbrechens sein!

Wieder einmal benutzt Erdoğan Flüchtlinge als politische Schachfiguren. Wieder einmal werden Menschenrechtsverteidigende aus verschiedenen Bereichen und Ländern Zeugen einer illegalen und unmenschlichen Situation an der Grenze zwischen Griechenland und der Türkei.

Offizielle Zahlen sind nicht verfügbar, aber es ist klar, dass Tausende von Flüchtlingen, darunter eine große Anzahl von Minderjährigen, von Erdoğan manipuliert wurden und nun zwischen zwei Grenzen festsitzen, ohne die Chance nicht nur auf Asylverfahren, sondern auch auf angemessene Nahrung, sauberes Wasser und eine Unterkunft zu haben. Es gibt ernsthafte Berichte über Gewalt gegen Migrantinnen und Migranten, und es ist auch bekannt, dass etwa hundert Personen, die die Grenze überschritten haben, bereits von den griechischen Behörden festgenommen wurden. Abgesehen von dieser neuen Situation, besteht die inakzeptable Lage in den griechischen Brennpunkten nach wie vor, und im Mittelmeer sterben Menschen.

Es ist erneut notwendig, die europäischen Regierungen an ihre Verpflichtung zur Einhaltung der Grundsätze des Völkerrechts und der Menschenrechte zu erinnern.

Die gegenwärtige Notlage der Migrantinnen und Migranten an der Grenze zwischen der Türkei und Griechenland liegt nicht nur in der Verantwortung dieser beiden Länder. Die europäischen Staaten sind für diese Krise direkt verantwortlich, zusätzlich zu der schrecklichen Situation in den griechischen Krisenherden und im Mittelmeer. Diese Katastrophe ist eine direkte Folge der unrechtmäßigen und inoffiziellen Vereinbarung zwischen der EU und der Türkei. Diese Vereinbarung sollte unverzüglich aufgehoben werden. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Türkei kein sicheres Land für Migrantinnen und Migranten ist, und dessen Erklärung zu einem sicheren Drittland ist eine klare Verletzung der Menschenrechte. Die vom türkischen Staat vorgeschlagenen ›sicheren Zonen‹ in Syrien sind völkerrechtswidrig.

Eine Lösung kann nur in Europa und ohne die Beteiligung der türkischen Regierung gefunden werden. Nationale Politikerinnen und Politiker sowie EU-Vertreterinnen und -Vertreter sollten Fremdenfeindlichkeit, Populismus und Rassismus sofort ablegen. Diese Ansätze führen zu faschistischen Lösungen, die mit unseren europäischen Werten unvereinbar sind.

Das Recht, Schutz zu suchen und das Recht auf ein Leben in Würde ist das Grundrecht jedes einzelnen Menschen, dessen Leben bedroht ist. Die europäischen Staaten müssen den Zugang zu internationalem Schutz gewähren, nicht nur aus humanistischer Sensibilität, sondern weil sie rechtlich dazu verpflichtet sind.

Daher sollten die EU-Staaten und internationale Organisationen die Maßnahmen der griechischen Regierung, die Registrierung von Anträgen auf internationalen Schutz auszusetzen und alle Personen, die illegal nach Griechenland einreisen, ohne Registrierung abzuschieben, nicht unterstützen. Diese Handlungen verstoßen gegen internationale Flüchtlings- und Menschenrechtsgesetze und finden keine Unterstützung in der Entscheidung des EGMR im Fall N.D. N.T. gegen Spanien (Anträge Nr. 8675/15 und 8697/15). Eine solche Manipulation von Gesetzen und Urteilen gefährdet die Rechte jedes europäischen Bürgers und die Demokratie und stellt eine fatale Haltung gegenüber schutzbedürftigen Personen dar.

Griechische Gerichte haben Verurteilungen von Personen, die in diesen Tagen in Evros ankommen, mit bis zu vier Jahren Haft ohne Aufschub angekündigt. Diese Maßnahmen verstoßen gegen die Genfer Konvention und werfen ernste Fragen in Bezug auf ein ordnungsgemäßes Verfahren und einen fairen Prozess auf. Europäische Regierungen und internationale Organisationen sollten handeln.

Denn die Situation verschlechtert sich täglich:

  • Wir fordern Griechenland auf, die Grenzen zu öffnen und die Anwendung von Polizeigewalt gegen die Flüchtlinge unverzüglich einzustellen.
  • Wir fordern die sofortige Umsiedlung der Flüchtlinge aus Griechenland in andere Staaten Europas. Das ›Take Charge‹-System der Dublin-III-Verordnung könnte sofort angewendet werden, ebenso wie andere Umsiedlungsmechanismen. In dieser Hinsicht sollten die EU-Mittel für diese Zwecke eingesetzt werden und nicht für FRONTEX-Operationen, die darauf abzielen, Flüchtlinge und Asylsuchende von den griechischen See- und Landgrenzen abzufangen und von dort zurückzudrängen.
  • Wir fordern die Aufhebung aller Strafanzeigen gegen Flüchtlinge, deren Verbrechen darin besteht, die Grenze zu überschreiten.
  • Wir fordern die europäischen Staaten auf, das internationale und europäische Recht und die Menschenrechts-Charta zu respektieren.
  • Wir fordern die sofortige Aufhebung der unrechtmäßigen Vereinbarung zwischen der EU und der Türkei.
  • Wir rufen alle auf, in dieser dramatischen Situation Stellung zu beziehen.

Yiota Masouridou, Vizepräsidentin der AED, Athen, erklärt: »Seit der Verabschiedung der EU-Türkei-Erklärung im Jahr 2016 verletzen die EU-Mitgliedsstaaten kollektiv das Prinzip der Nicht-Zurückweisung. Eine Menschenrechtslösung muss jetzt umgesetzt werden, indem Flüchtlinge und Asylsuchende auf EU-Territorium aufgenommen werden. Kurzfristige politische Lösungen, die die europäische Rechtskultur beschämen, sollten aufgegeben werden«.

Und die türkische Anwältin Ceren Uysal fügt hinzu: »Wir sind Zeugen eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit. Wir glauben fest daran, dass es notwendig ist, zu handeln, zu protestieren und gegen die Aushöhlung des Rechtsstaates und die Verletzungen der Menschenrechte zu kämpfen«.

Es gibt ein andauerndes Verbrechen, und wir werden nicht Teil dieses Verbrechens sein!

Athen, Istanbul, Berlin, Amsterdam, Paris, Brüssel, Rom, Madrid, Barcelona

3. März 2020

Kontakt
Giota Massouridou, Vice-President of the AED-EDL: massouridoup@yahoo.gr

Unterzeichnende

Avocats Européens Démocrates, www.aeud.org
Borderline Europe, https://www.borderline-europe.de/
Mission Life-line, www.mission-lifeline.de
Alarmphone, https://alarmphone.org/en/
Dutch Organization for Asylum Lawyers, www.hvh-advocaten.nl
Medico international e.V., www.medico.de
The Dutch League for Human Rights
Foundation of the Day of the Endangered Lawyer, http://dayoftheendangeredlawyer.eu/
Lawyers’ Association for Freedom (ÖHD)
Progressive Lawyers’ Network (CHD)
Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e. V. https://www.vdj.de
European Association of Lawyers for Democracy & World Human Rights https://eldh.eu/

Die englische Ursprungsversion ist hier abrufbar.

Bei Presserückfragen wenden Sie sich an: Dr. Andreas Engelmann, Bundessekretär der VDJ, Tel.: 06971163438, E-Mail: bundessekretaer@vdj.de
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