Erklärung

Das Grundgesetz gilt auch in Hamburg

Das Grundgesetz gilt auch in Hamburg

VDJ kritisiert die ultrarestriktiven Versammlungsverbote in Hamburg als verfassungswidrig

Während am Kampftag des 1. Mai in vielen deutschen Städten Demonstrationen und Kundgebungen unter Pandemiebedingungen abgehalten werden konnten, verfolgte der Rot-Grüne Senat seinen „Hamburger Weg“ der Missachtung der Versammlungsfreiheit, wie er im Zuge der G20-Proteste zu nationaler Berühmtheit gelangt war. Alle linken Demonstrationen wurden untersagt. Die Gerichte stützten diese Linie und auch Proteste, die sich gegen die Verbote richteten, wurden brutal aufgelöst.

Da sich die 7-Tage-Inzidenz in Hamburg unter 100 befindet, ist für die Rechtslage nicht die bundeseinheitliche Regelung des § 28b IfSG maßgeblich, sondern § 10 der Hamburger „SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung“, nach dessen Absatz 2 Versammlungen mit mehr als hundert Teilnehmer:innen grundsätzlich verboten sind. Versammlungen mit bis zu 200 Teilnehmer:innen können ausnahmsweise „ortsfest“ genehmigt werden.

Für den 1. Mai hatten in Hamburg verschiedene Gruppen Versammlungen angemeldet, die von der Versammlungsbehörde verboten wurden. Das Verwaltungsgericht Hamburg hat in einem Eilverfahren gegen eines dieser Verbote argumentiert, allein die Teilnehmer:innenzahl von 500 begründe eine Infektionsgefahr, die das Verbot der Versammlung rechtfertige. Irrelevant war dabei beispielsweise, dass ein umfangreiches Hygienekonzept vorgelegt wurde. Die Rechtmäßigkeit der Verordnung zog das Gericht nicht in Zweifel.

Dabei ist bereits die Verordnung in diesem Punkt offensichtlich rechtswidrig und die Verbote im Konkreten nicht verhältnismäßig. Die Freiheit, sich ohne Anmeldung und Erlaubnis zu versammeln, die Art. 8 Abs. 1 GG unmissverständlich festlegt, wird weitgehend aufgehoben. Dabei ist die Versammlungsfreiheit ein „konstituierendes“ und „unentbehrliches Funktionselement eines demokratischen Gemeinwesens“ (BVerfG 96, 315). Geschützt sind die Wahl des Ortes, der Zeit und die Durchführungsweise. Jede Einschränkung dieser Freiheit muss im Einzelfall anhand einer konkreten Gefahrenprognose gerechtfertigt sein, wobei die konkrete Gefahr die konkrete Einschränkung überwiegen muss. Insbesondere kommt ein Verbot in der Regel nicht in Betracht, solange die Gefahr durch Auflagen abwendbar ist (weiter BVerfG 96, 315). Dass diese Maßstäbe auch unter Pandemiebedingungen gelten, hat das Bundesverfassungsgericht bereits im April 2020 festgestellt (BVerfG, Beschluss vom 17.04.2020, NVwZ 2020, 711).

Die Hamburger Verordnung verbietet Versammlungen ab einer bestimmten Teilnehmer:innenzahl ohne konkrete Gefahrenprognose. Weil dem generellen Verbot keine „konkrete Gefahrenprognose“ zugrunde liegt, ist die Verordnung in diesem Punkt offensichtlich rechtswidrig. Die konkreten Verbote der Hamburger Versammlungsbehörde waren zudem offensichtlich nicht das mildeste Mittel. Sie waren angesichts vergleichsweise niedriger Inzidenzzahlen in Hamburg und angesichts bundesweiter Versammlungen und Demonstrationen eine ultrarestriktive Ausnahme vom im sonstigen Bundesgebiet geltenden Recht. Das Verwaltungsgericht Hamburg hat eine ernsthafte Prüfung und Gewichtung der Versammlungsfreiheit nicht durchgeführt. Andernfalls wäre es auf die evidente Rechtswidrigkeit der Verordnung und die Unverhältnismäßigkeit der Versammlungsverbote im Einzelnen gestoßen. Während das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich klargestellt hat, dass „pauschale Aussagen, die jeder Versammlung entgegengehalten“ werden können, zur Beschränkung der Versammlungsfreiheit nicht ausreichen, finden sich in der Pressemitteilung des Gerichts keine Gründe, die über pauschale Formeln hinausgehen.

Diese versammlungsfeindliche Rechtsprechung steht in der Tradition eines besonderen Hamburger Wegs, der im Rahmen der G20-Proteste zu trauriger Berühmtheit gelangte, wo willkürliche Festnahmen mit vorgedruckten Anklageschriften von den Gerichten abgesegnet wurden. Das rechtstaatliche Niveau in Hamburg erreichte die Höhe der Peinlichkeit.

Hamburg ist keine liberale Hochburg, sondern verfolgt in Versammlungsfragen eine reaktionäre Obrigkeitsmentalität, die jeden Kontakt mit einer freiheitlichen Ausübung des die Demokratie konstituierenden Grundrechts der Versammlungsfreiheit verloren hat. Wenn die Hamburger Gerichte noch eine große juristische Geste zeigen, dann nicht darin, die Handlungen von Polizei und Versammlungsbehörde auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen, sondern lediglich darin, das Grundgesetz und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu ignorieren und zu missachten.

Für Rückfragen wenden Sie sich an:

VDJ Bundessekretariat, Dr. Andreas Engelmann, bundessekretaer@vdj.de, Tel.: 069 71163438

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