Stellungnahme

Mediale Hetze gegen Wissenschaftler*innen und die Anstachelung durch Ministerin gefährdet die Wissenschaftsfreiheit!

Stellungnahme der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ) vom 13. Mai 2024

Die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ) verurteilt mediale Hetze und Polizeigewalt als Angriffe auf die Institution der Universität

Als Demokratische Jurist*innen sind wir schockiert über die jüngsten Angriffe auf die Wissenschaft-, Meinungs- und Berufsfreiheit durch Regierungspolitiker*innen und einen großen Teil der Medien. Am 07. Mai hatten Studierende der Freien Universität Berlin ein Protestcamp auf dem Campus der Universität errichtet, um gegen die Beteiligung der Bundesrepublik im Krieg in Gaza zu demonstrieren. Die Leitung der Universität ließ das Camp von der Polizei räumen. Bilder von der Räumung dokumentieren das brutale Vorgehen der Polizei und die Verhöhnung der Studierenden durch die Uniformierten. Der Regierende Oberbürgermeister von Berlin, Kai Wegener, lobte das Vorgehen ausdrücklich.

In Reaktion auf die Räumung verfassten Berliner Wissenschaftler*innen einen offenen Brief, dem sich mittlerweile weit mehr als 1.000 Lehrende angeschlossen haben. In dem Brief verurteilen sie die Räumung des Camps und die Art und Weise wie diese geschah. Sie mahnen einen Dialog auch mit abweichenden Positionen an. Der sofortige Einsatz der Polizei gegen den gewaltfreien Protest wird als unvereinbar mit der Institution der Universität betrachtet.

Diesen offenen Brief nahm Bundeswissenschaftsministerin Stark-Watzinger zum Anlass, den Unterzeichnenden, die weder zu den inhaltlichen Forderungen der Studierenden noch zur Situation in Israel/Palästina Stellung bezogen hatten, die Verteidigung von Israelhass und Antisemitismus vorzuwerfen. Medienkonzerne, allen voran Springer, stellen einzelne Wissenschaftler*innen daraufhin an den Pranger und erklärten sie zu Befürworter*innen von Terror und Antisemitismus.

Statt sich erkenntnisoffen und ehrlich mit dem Anliegen der Studierenden und insbesondere dem Inhalt des Schreibens der Wissenschaftler*innen auseinanderzusetzen, hat Stark-Watzinger mit vorschnell formulierten, schwersten Vorwürfen deren Stellung als Universitätsangehörige und Forschende beschädigt. Sie hat eine Stimmung angeheizt, in der die mediale Jagd auf einzelne Personen eröffnet wurde. Sollte es zu Übergriffen auf die Betroffenen kommen, trägt sie dafür auch persönliche Verantwortung. Statt durch eine ausgewogene Stellungnahme die Wogen zu glätten, hat sie sich bewusst in eine mediale Hetzkampagne einbinden lassen und die Institution der Universität, die auf offenem Austausch und Vertrauen beruht, nachhaltig beschädigt.

Für uns als Demokratische Jurist*innen ist die Universität ein besonders geschützter Raum, durch den ein freier Diskurs – als Voraussetzung für neue Erkenntnis – erst ermöglicht wird. Diesen Schutzraum gewährt das Grundgesetz allen Universitätsangehörigen – auch den Studierenden. Sie sind nicht stille Konsument*innen von Bildungsangeboten, sondern essenzieller Bestandteil des Austauschs, der Prüfung und Festigung von Wissen. Dieser Austausch benötigt einen offenen Raum für Dissens. Es ist nicht Sache von Regierenden den Rahmen des Diskurses oder die Reichweite des Dissenses festzulegen. Bereits darin liegt ein schwerer Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit, durch den der offene Erkenntnisprozess autoritär abgebrochen wird.

Artikel 5 des Grundgesetzes gewährt die Wissenschafts- und Meinungsfreiheit als essenzielle Voraussetzungen einer freien und demokratischen Gesellschaft. Es ist mit dem Grundgesetz unvereinbar, Angehörige der Universität auf bestimmte Regierungspositionen festzulegen oder sie einem Bekenntniszwang auszusetzen. Der Staat kann seine Regierungsräson nicht zur Eintrittskarte für den wissenschaftlichen Diskurs machen. Das verletzt neben der Wissenschaftsfreiheit auch die Berufsfreiheit der Betroffenen.

Als Demokratische Jurist*innen verurteilen wir zudem die zunehmende Brutalität polizeilicher Einsätze. Die Art, wie Universitätsangehörige verhöhnt wurden, ist ein Warnsignal für den Zustand der deutschen Polizei. Für uns stehen die beschriebenen Angriffe im Kontext einer Ausdehnung exekutiver Gewalt gegen die Zivilgesellschaft. Als Rechtsstaat definierte das Grimm‘sche Wörterbuch bereits vor 170 Jahren kurz und treffend ein „staatswesen, dessen zweck der rechtsschutz aller seiner bürger ist“. Diesen Schutz individueller Rechtsgüter müssen die Regierenden befördern und nicht gewaltsame polizeiliche Einsatzformen. Wer den Begriff des Rechtsstaats aufruft, kann damit niemals die Härte des Polizeiknüppels rechtfertigen.

  • Unsere Solidarität gilt allen Unterzeichnenden des „Statements von Dozierenden an Berliner Universitäten“
  • Wir verurteilen die mediale Hetze durch die Verantwortlichen in Politik und Medien
  • Wir verurteilen die Räumung des Protestcamps mittels Polizeigewalt
  • Als Demokratische Jurist*innen ist unser Ziel die Sicherung universitärer Freiheit

Bei Presserückfragen wenden Sie sich an: Dr. Andreas Engelmann, Bundessekretär der VDJ, Tel.: 06971163438, E-Mail: bundessekretaer@vdj.de
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