Stellungnahme

„Die Polizei will ein politisches Motiv um jeden Preis ausschließen“

Eine Prozessbeobachtung von Rechtsanwalt Joachim Kerth-Zelter (VDJ)

Als die Meldung in der Presse erschien, dass es in Solingen am 25.03.2024 einen Brandanschlag auf ein Wohnhaus mit ausländischen Mitbürgern gegeben hatte, bei dem vier Menschen zu Tode gekommen waren, standen vielen wieder die schrecklichen Ereignisse aus dem Jahre 1993 vor Augen. Nicht schon wieder!! Das war die Reaktion von vielen, denn in dem Jahr 2024 war ähnlich wie damals 1993 das Thema der Migration wieder hochgekocht worden, um damit Ressentiments gegen Zugewanderte zu schüren.

Bei dem Brandanschlag von 2024 waren vier Mitglieder einer türkisch-bulgarischen Familie – darunter zwei Kleinkinder – zu Tode gekommen, weil sie nicht mehr aus der Dachwohnung des Hauses herauskamen. Andere mussten sich durch Sprünge aus dem Fenster retten, wobei sie verletzt wurden.

Nun begann vor dem Landgericht in Wuppertal der Strafprozess gegen den wegen der Brandstiftung angeklagten Deutschen. Am zweiten Prozesstag, dem 03.02.2025 erklärte sich der Angeklagte über seine Anwälte zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen. Neben dem Brandanschlag auf das Wohnhaus vom März 2024 werden dem Angeklagten auch zwei weitere Versuche der Brandstiftung und ein versuchter Todschlag mit einer Machete vorgeworfen.

In der Erklärung der Anwälte ließ der Angeklagte detailliert darstellen, wie er den Brand in dem Wohnhaus gelegt hatte. Er bekannte sich auch vollständig zu den weiteren ihm vorgeworfenen Taten einschließlich des Angriffs mit einer Machete gegen seinen Bekannten. Als Erklärung für den Brandanschlag gab er an, ihn habe schon immer Feuer interessiert. Er habe Streit mit der dortigen damaligen Vermieterin gehabt. Er bestritt aber, dass er in irgendeiner Weise aus rassistischen Motiven gehandelt habe. Zu dem Angriff auf seinen Bekannten mit der Machete konnte er lediglich erklären, dass Hintergrund ein Drogengeschäft (Cannabis) gewesen sei, bei dem er dem Bekannten die bereits zugesagte Ware nicht habe liefern können, obwohl er bereits die Bezahlung hierfür erhalten hatte.

Insgesamt ist festzustellen, dass die Darstellung des Angeklagten bisher wenig aussagekräftig hinsichtlich seiner Motive ist. Er behauptet dazu, dass er das Haus in Solingen auf der Grünewalder Straße angezündet habe, weil er Stress mit der Vermieterin gehabt habe. Das erklärt aber keineswegs, warum er zuvor bereits ein anderes Haus in der Josefstraße in Solingen anzuzünden versucht hat.

Zunächst war von Polizei und Staatsanwaltschaft erklärt worden, dass es keinerlei Hinweise darauf gebe, dass der Angeklagte in rechtsradikalen Kreisen verkehrt oder sich im Internet radikalisiert hätte. Deshalb wurde auch in der Presse mitgeteilt, ein rassistischer Hintergrund der Tat sei nicht anzunehmen. Das hat sich mittlerweile im Laufe des Prozesses aber deutlich geändert. War im Prozess zunächst bekannt geworden, dass es auf einer vom Angeklagten mitgenutzten Festplatte zumindest 166 eindeutig rechtsextreme Bilder gegeben hatte, die gelöscht worden waren und von der Forensik wiederhergestellt werden konnten. So ist nun insbesondere durch die Bemühungen der Nebenklage zutage getreten, dass beim Angeklagten eine ganze Reihe von rechtsextremer Literatur gefunden wurde, wie z.B. Hitlers Buch „Mein Kampf“ und weitere Werke wie „Die Wehrmacht“, „Obersalzberg“ oder „Herrmann Göring – Werk und Mensch“ gefunden wurde, wobei bisher noch nicht geklärt ist, ob diese Werke dem Angeklagten selbst, seiner Lebensgefährtin oder aber seinem Vater zuzuordnen sind. Es ist aber festzustellen, dass wieder einmal seitens der Ermittlungsbehörden offenliegende Hinweise auf einen rechtsradikalen Zusammenhang einer Mordtat bewusst an die Seite geschoben wurden. 

Deshalb erklärte die Nebenklägervertreterin, Rechtsanwältin Basay-Yildiz, nun gegenüber dem Gericht: „Es wurden Beweismittel zurückgehalten. Damit muss das Gericht jetzt umgehen. Die Polizei wollte um jeden Preis ein politisches Motiv ausschließen.“

Zwar erklärte der Vorsitzende Richter im Gerichtstermin den Aufklärungswillen der Kammer indem er sagte: „Was zu tun ist, ist zu tun.“ Ob es allerdings angesichts der offensichtlich lückenhaften Ermittlungsakten im Prozess gelingen wird, diese wesentlichen Gesichtspunkte zu den Hintergründen der Taten noch aufzuklären, ist zumindest fraglich.

Der Angeklagte muss mit einer langen Haftstrafe wegen mehrfachen Totschlags, versuchten Totschlags, Körperverletzung und Brandstiftung rechnen.

Bei Presserückfragen wenden Sie sich an: Dr. Andreas Engelmann, Bundessekretär der VDJ, Tel.: 06971163438, E-Mail: bundessekretaer@vdj.de
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