Stellungnahme

Verfahren gegen drei angebliche Mitglieder der DHKP-C vor dem Oberlandesgericht in Düsseldorf – Teil II: Problematische Anwendung des § 129 b StGB

Prozessbeobachtung der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ) vom 08.02.2024

Seit nunmehr nahezu acht Monaten findet vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf der Prozess gegen Özgül Emre, Serkan Küpeli und Ihsan Cibelik wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung nach § 129 b StGB statt. Seit fast 2 Jahren befinden sie sich in Untersuchungshaft. Die Anträge auf Haftentlassung wurden bisher abgelehnt. An dem Prozess nimmt für die VDJ ihr Ko-Vorsitzender, Rechtsanwalt Joachim Kerth-Zelter als Beobachter teil. Das Strafverfahren begegnet verschiedenen rechtlichen Bedenken.

Den Angeklagten werden keine Terrorakte vorgeworfen. Vielmehr werden sie wegen der Teilnahme an und der Organisation von Musikveranstaltungen und Demonstrationen sowie wegen Veröffentlichungen, die der DHKP-C zugerechnet werden, angeklagt. Die DHKP-C ist in der Türkei als terroristische Vereinigung verboten und auf Wunsch der türkischen Regierung auch in Deutschland und in der Europäischen Union auf der Liste der terroristischen Organisationen. Der europäische Dachverband der VDJ, die Europäische Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt (EJDM) hat gemeinsam mit zahlreichen europäischen und außereuropäischen Anwaltsorganisationen bei Prozessbeobachtungen und Fact-finding-Missionen immer wieder feststellen müssen, dass von der türkischen Regierung gegenüber oppositionellen und regierungsfeindlichen Organisationen der Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation erhoben wird. Das Strafrecht wird hier missbraucht, um politische Gegner der regierenden Parteien zu verfolgen.

Laut Anklage handelt es sich bei der DHKP-C um eine terroristische marxistisch-leninistische Organisation. Diese Einschätzung stützt sich auf Material, das angeblich bei der Durchsuchung des Amsterdamer Pressebüro Özgürlük am 01.04.2004 gefunden wurde. Das Material macht bis heute den Kern der zentralen „Strukturakte“ zur DHKP-C aus. Die im Rahmen dieser Operationen angeblich am 1.4.2004 sichergestellten Datenträger wurden jeweils als sogenannte „digitale Erledigungsstücke aus dem Rechtshilfeverkehr mit dem Königreich der Niederlande“ in die Verfahren eingeführt.

Aus Sicht der Verteidigung können aber diese Daten und Datenträger nicht Grundlage für ein Verfahren und eine Verurteilung sein, weil zumindest der Hinweis auf diese Datenträger durch die Ermittlungsbehörden der Türkei durch Folter erlangt wurde. Eine Verwendung würde damit gegen internationale und nationale Standards für ein faires Verfahren verstoßen.

Problematisch ist zudem, dass es sich hierbei um sogenannte digitale Beweise handelt, hinsichtlich derer bisher nicht sichergestellt ist, dass sie im Laufe der Übermittlung in den verschiedenen Verfahren nicht verändert wurden, dass sie also technisch und rechtlich vollständig auf ihre Integrität überprüft werden können. Die Verteidigung fordert daher, dass die Aufnahme von digitalen Beweisen in Anwesenheit der betroffenen Personen oder ihrer Anwälte erfolgen, und eine Kopie der digitalen Daten der Person oder ihrem Anwalt unmittelbar nach der Aufnahme zugestellt werden muss, weil sowohl der Inhalt als auch die Metadaten computergestützter digitaler Daten leicht verändert werden können, ohne Spuren zu hinterlassen.

Ein wesentlicher Kritikpunkt an dem Verfahren ist die Anwendung des § 129 b StGB, auf den sich die Anklage stützt und die damit verbundene Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz. Diese Ermächtigung darf aber nur erteilt werden, wenn die geschützte, staatliche Ordnung die Menschenrechte anerkennt. Dies ist bei der Türkei mit über 8.000 anhängigen Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in 2023 und seiner Missachtung der Entscheidungen seines eigenen Verfassungsgerichts und der Entscheidungen des EGMR sicherlich nicht der Fall. Die staatliche Ordnung, die in der Türkei herrscht, kann nicht das Schutzobjekt des deutschen Strafgesetzes sein. Migrationspolitische und militärpolitische Interessen Deutschlands dürfen bei der Erteilung der Ermächtigung keine Rolle spielen.

Es ist daher notwendig, dass in dem Verfahren ein Sachverständigengutachten über die politischen Entwicklungen in der Türkei unter der Regierungszeit der AKP und die aktuellen politischen Verhältnisse eingeholt wird. Darin sind sich Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung einig. Aktuell gibt es noch Meinungsverschiedenheiten zwischen Verteidigung, Anklage und Gericht über die Person eines neutralen Sachverständigen.

Die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ) und ihr europäischer Dachverband die Europäische Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenreche (EJDM) fordern daher:
  • Die sofortige Freilassung der angeklagten Özgül Emre, Serkan Küpeli und Ihsan Cibelik.
  • Die sofortige Einstellung dieses DHKP-C-Verfahrens und aller anderen entsprechenden Verfahren.
  • Die Abschaffung des § 129 b StGB und die Rücknahme der Verfolgungsermächtigung durch das Justizministerium.
  • Die Streichung der oppositionellen türkischen Organisationen von der Terrorliste der EU und der Bundesrepublik Deutschland.

Bei Presserückfragen wenden Sie sich an: Dr. Andreas Engelmann, Bundessekretär der VDJ, Tel.: 06971163438, E-Mail: bundessekretaer@vdj.de
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