VDJ Info 04/2022 vom 28.03.2022
VDJ unterstützt Appell gegen Aufrüstung - Unterschrift weiterhin möglich!
Mit einem Appell an die Berliner Politik haben sich verschiedene Personen aus den Gewerkschaften, aus Wissenschaft, Kultur und Kunst zu Wort gemeldet und eine Unterschriftenaktion gegen die Hochrüstung der Bundeswehr ins Leben gerufen, der nach wenigen Tagen bereits zehntausende Menschen aus allen Bereichen der Gesellschaft nachgekommen sind. Der Aufruf richtet sich gegen das Aufrüstungsprogramm, wie es unter dem Vorwand des Krieges in der Ukraine von den Regierungsparteien durchs Parlament und in die Verfassung gebracht werden soll. Der Bundesvorstand der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ) unterstützt den Aufruf und empfiehlt eine Unterzeichnung. Obwohl die Personalisierungen im analytischen Teil des Aufrufs nicht mit der hier nachzulesenden Position des Bundesvorstandes zusammenpassen und sich eine kriegerische Situation nicht ohne die Einbeziehung aller Kriegsparteien erklären lässt, unterstützt der Bundesvorstand nachdrücklich die Forderung, von einem neuen Militarismus und einer sogenannten "Zeitenwende" abzulassen, die Bundeswehr nicht weiter aufzurüsten und die Gesellschaft nicht weiter zu militarisieren. Der Aufruf kann hier gezeichnet werden.
Herzlichen Glückwunsch, VVN-BdA! 75 Jahre Antifaschismus, auf die Freundschaft!
Unter dem Motto "Antifaschismus bleibt unverzichtbar" feierte die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschist:innen (VVN-BdA) am 26.03.2022 ihr 75jähriges Bestehen mit einer Festlichkeit in Frankfurt am Main. In Frankfurt am Main hatte auch vor 75 Jahren vom 15.-17.03.1947 der Gründungskongress der bis heute größten deutschen antifaschistischen Organisation stattgefunden. Die Geschichte der VVN ist bis in die Gegenwart hinein geprägt von staatlicher Repression und geheimdienstlicher Überwachung. Zuletzt ging es dabei vor allem um die Frage der Gemeinnützigkeit der VVN-BdA, die eine wichtige Voraussetzung für ihre organisatorische Arbeit ist. Dazu hat die VDJ in der Vergangenheit solidarisch Stellung bezogen. Antifaschismus ist unverzichtbar und gemeinnützig! Wir gratulieren der VVN zu ihrer Arbeit und ihrem Bestehen herzlich und solidarisch und werden auch in Zukunft gemeinsam mit allen Antifaschist:innen gegen Repression und Demokratieverkürzung einstehen.
Verbote von Medienanstalten - Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit?
Die Europäische Union (EU) hat Sanktionen gegen die russischen Staatssender RT und Sputnik verhängt. Ihre Inhalte dürfen in der EU nicht mehr verbreitet werden. Von der Leyen argumentierte, dass man es „nicht zulasse, dass Kreml-Apologeten ihre giftigen Lügen zur Rechtfertigung von Putins Krieg verbreiten oder die Saat der Spaltung in unserer Union säen.“ Diese inhaltlich ausgerichtete Bestimmung dessen, was gesagt werden darf, steht in einem offensichtlichen Spannungsverhältnis zu den demokratischen Prinzipien von Meinungs- und Pressefreiheit, die sich gerade nicht am Inhalt der geäußerten Meinungen orientieren. Die Vereinigung Reporter ohne Grenzen sieht darüberhinaus, wie Medienverbote in Europa in anderen Staaten nachgeahmt und als Vorwand für die Einschränkung der Pressefreiheit genutzt werden. Ebenso wie die EU russische Sender als "Staatsmedien" oder "Propagandaorgane" diffamiert, werden europäische, aber auch oppositionelle russische Medienangebote in Russland mit derselben Begründung unter Beschuss genommen. Reporter ohne Grenzen argumentiert deshalb für Reziprozitätsabkommen, denen zufolge sich Staaten darauf verpflichten, Medien anderer Staaten genau dann zuzulassen, wenn diese Staaten das auch tun. Damit sollen Asymmetrien verhindert werden. Dieses Modell setzt aber bereits voraus, dass die Medien eines Landes grundsätzlich den Interessen des jeweiligen Staates dienen und zur weltweiten Verbreitung einer nationalen Auffassung beitragen sollen. Ein demokratisches Modell von Presse bestünde dagegen darin, Medienorgane nicht mit Staatsinteressen zu identifizieren. Die Idee der Pressefreiheit dürfte darin zu sehen sein, dass ein offener Meinungsmarkt zur Bildung informierter Meinungen beiträgt. Das setzt ein grundsätzliches Vertrauen in die Urteilskraft der Wähler:innen voraus. Ein Modell, nach dem Bürger:innen vor "Propaganda" geschützt werden müssen, geht dagegen undemokratisch davon aus, dass die Schützenden (der Staat) es besser wissen. Das ist aber durchaus entmündigend, weil es heißt, sich nicht als eigenständige Agent:in der politischen Arena zu begreifen und sich eher in die Rolle der Konsument:in von Staatswohlfahrt zu begeben. Deutlicher als bisher sollte deshalb die Gefahr von Zensurmaßnahmen auch dann ins Auge gefasst werden, wenn Sympathie mit den zensierten Angeboten unangebracht ist. Buchstaben des Alphabets zu verbieten, scheint jedenfalls kein Weg in eine selbstbewusste und freie Gesellschaft. Was verteidigt werden sollte, ist die demokratischer Selbstbestimmung einer offenen Gesellschaft, die keine Angst davor hat, dass unter vielen Meinungen auch falsche verbreitet werden dürfen.
Verfassungsbeschwerden und Organstreitverfahren gegen CETA erfolglos
Mit Beschluss vom 15.03.2022 hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) mehrere Verfassungsbeschwerden und einen Antrag im Organstreitverfahren zur vorläufigen Anwendung des Freihandelsabkommens CETA als unbegründet zurückgewiesen. Soweit sich die Verfassungsbeschwerden und die Organklage darüber hinaus gegen die Unterzeichnung und den Abschluss von CETA wandten, hat der Senat sie als unzulässig verworfen. Die Linksfraktion hatte geklagt, weil die vorläufige Anwendung des CETA-Abkommens nicht durch ein förmliches Mandatsgesetz des Parlaments, sondern lediglich durch eine Stellungnahme gestützt sei. Das BVerfG entschied, dass es ein Mandatsgesetz zur Ermächtigung der Europäischen Union nicht brauche, da ein solches Gesetz wirkungslos sei. Sollte die Europäische Union ultra vires handeln oder durch sonstige Maßnahmen die Verfassungsidentität des Grundgesetzes verletzen, heile auch ein Mandatsgesetz den Verfassungsverstoß nicht. Die Pressemitteilung des Gerichts findet sich hier, eine Besprechung des Beschlusses im Verfassungsblog kann hier nachgelesen werden.
VDJ-Podiumsdiskussion "Berufsverbotsopfer - rehabilitieren und entschädigen", morgen, am 29.03.2022 in Düsseldorf und online
Am morgigen Dienstag, den 29.03.2022, findet um 19 Uhr in Düsseldorf und online eine Podiumsdiskussion der Regiongruppe Düsseldorf der VDJ zu dem Thema statt: Berufsverbotsopfer - rehabilitieren und entschädigen. Anlass ist der 50. Jahrestag der Berufsverbote im Januar 1972. Betroffene diskutieren dazu mit Expert:innen über die Verbotspraxis, die Folgen und wie die Schäden wiedergutzumachen wären. Die Präsenzveranstaltung findet im Zakk in der Fichtenstraßen 40 in 40233 Düsseldorf statt. Der Eintritt ist frei. Es diskutieren Dr. Martin Kutscha, Prof. i.R. für Staats- und Verwaltungsrecht, Berlin, Rechtsanwalt Otto Jäckel, Wiesbaden und Berlin sowie die Betroffenen Volker Götz, Düsseldorf, Barbara Degen, Bonn, Werner Siebler, ehemaliger Postbote, Freiburg, Klaus Stein, Lehrer i.R., K ln. Ausführliche Informationen und der Link zur Einwahl für die Online-Veranstaltung finden sich hier.
HU lädt ein "Menschenrechte aktuell" am 31. März 2022 zum Krieg in der Ukraine in Berlin und online
Am Donnerstag, den 31. März 2022, um 19.00 Uhr findet im Robert-Havemann-Saal im Haus der Demokratie und Menschenrechte (Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin) eine Veranstaltung der Humanistischen Union (HU) zum Krieg in der Ukraine statt. Die Veranstaltung kann unter 2G-Plus-Bedingungen vor Ort oder online verfolgt werden. Am 24. Februar 2022 überfielen auf Befehl von Wladimir Putin russische Streitkräfte die Ukraine, einen souveränen, nicht paktgebundenen Staat. Diese Tat ist ein klarer Bruch des Völkerrechts, die schnell weltweit fast einhellig verurteilt wurde. Die Ukrainer*innen wehren sich. Das russische Militär kommt langsamer voran als geplant. Es gibt Sanktionen, Proteste und Verhandlungen. Trotzdem kann niemand sagen, wie der Konflikt sich weiter entwickeln wird. In jedem Fall müssen wir uns noch lange mit den Folgen auseinandersetzen. An diesem Abend wollen wir aus verschiedenen Perspektiven über den Krieg, seine Ursachen, wie er beendet werden kann und was wir dazu beitragen können, reden. Ausführliche Informationen, sowie der Einwahllink zur Veranstaltung finden sich hier.
Save the date: Tagung und Feier zu 50 Jahren VDJ am 24.09.2022 in Frankfurt/Main
Wir laden alle unsere Mitglieder sowie Freund:innen ein, am 24.09.2022 ab 16 Uhr in Frankfurt am Main zu feiern. Auf dem Programm stehen intergenerationelle Perspektiven auf unsere Vereinigung, Grußworte von Mitstreiter:innen, ein Podium zu rechtspolitischen Themen, die Verleihung des Hans-Litten-Preises und ein gemeinsames feierliches Ausklingen. Die Teilnahme wird gegen einen Selbstkostenbeitrag möglich sein. Mehr Informationen folgen bald. Eine Vormerkung des Datums ist, sofern noch nicht geschehen, sinnvoll. Wir freuen uns auf ein großes Zusammenkommen, Wiedersehen und Kennenlernen.
Lesenswert: Thomas Fischer im Spiegel über den Ausschluss behinderter Sportler:innen, weil sie aus Russland sind
In einer durchaus kontroversen Kolumne im Spiegel, die hier nachgelesen werden kann, polemisiert Thomas Fischer in lesenswerter Weise gegen ein allzu offen ausgestelltes Mitgefühl, das sich vom Gaffertum kaum unterscheiden lässt, und das insbesondere in einem unsublimierten Rachebedürfnis zum Ausdruck kommt. "Ich weiß nicht, ob der Krankenhausverband, die Stiftung Patientenschutz und die Institutionen der Altenpflege schon alle russischen Pflegekräfte, Krankenpfleger und Ärzte aufgefordert haben, entweder Kittel in den ukrainische Landesfarben zu tragen oder den Dienst zu quittieren. Möglich scheint derzeit alles." Was alles möglich erscheint, wird in der Kolumne durchgespielt - zum Beispiel der Ausschluss schwerbehinderter Sportler:innen, weil sie aus Russland kommen, alles im Namen der Menschlichkeit oder eben Waffenlieferungen in Kriegsgebiete und ein großer Krieg. Das kontrastiert Fischer mit bekannten, aber zuletzt vergessenen Überlegungen: "Der Feind ist da, wo man hinschießt; das ergibt sich aus pragmatischer Sicht des Kompanieführers schon daraus, dass man ja sonst nicht schießen würde. Es ist egal, ob der Feind nett ist, gerade sein Medizinstudium beendet hat oder sich ebenfalls fürchtet." Die Pointe des Textes lautet, dass es manchmal klug sein kann, nicht daran festzuhalten, dass man eigentlich Recht hat: "Rechthaben ist eine schöne Sache. Es auf Kosten anderer zu tun, ist nicht edel, sondern zynisch. Es auf Kosten des eigenen und des Lebens der eigenen Kinder durchsetzen zu wollen, ist nicht heldenhaft, sondern dumm. Deshalb muss man mit den Mutigen in der Ukraine nicht darüber sprechen, wann man ihnen Panzerhaubitzen, Schlachtschiffe und Eurofighter schicken und sie in die Nato und die EU aufnehmen wird. Sondern darüber, ob es für sie eine Perspektive außer dem Heldentod gibt, die ihrem Volk nützt."