VDJ Info 12/2017 vom 01.10.2017
G 20 - Gipfelnachbetrachtungen von unten
• Das Komitee für Grundrechte und Demokratie hat - basierend auf den Beobachtungen von 43 Demontrationsbeobachter*innen - einen umfangreichen Bericht über die Proteste gegen G 20 vorgelegt ("Geschichte der Eskalation eines einwöchigen Protestgeschehens"), bei dem "die Blicke der Demonstrationsbeobachter*innen auf die angekündigten Versammlungen gerichtet (waren) und nicht auf die Riots, die Randale oder den Aufstand, der die Freitagnacht im Schanzenviertel prägte. Damit stand vor allem die polizeiliche Gewalt im Mittelpunkt der Wahrnehmung, die Zumutungen vom Ignorieren des Gerichtsbeschlusses auf das Recht, ein Camp in Entenwerder zu errichten (Sonntag, 2. Juli 2017), über die gewaltsame Auflösung der friedlichen "Welcome to hell"-Demo bis zur teilweise rücksichtslosen Gewalt gegen Gruppen und Einzelne am Tag des Zivilen Ungehorsams. Und auch noch bei der Großdemonstration am Samstag musste festgestellt werden, dass der Schutz des Versammlungsrechts missachtet wurde. In die Versammlung wurde immer wieder polizeilich eingegriffen."
http://www.grundrechtekomitee.de/sites/default/files/G20_Protest.pdf
• Gerhard Paul, einer der Vertreter der deutschen Visual History, hat die (Bild-)Berichterstattung im Nordeutschen Rundfunk zum G20-Gipfel zum Anlass genommen, in einem "Offenen Brief" an den NDR-Intendanten die Gewaltberichterstattung zu thematisieren. Der NDR, der auch für die Berichterstattung in der ARD zuständig war, steht stellvertretend für den Umgang der meisten Medien mit den Bildern der Gewalt. Pauls Kritik richtet sich ebenso an Bildreporter, die zum Teil in typischer Perspektive von Kriegsreportern mitten aus der Situation und dazu noch in der klassischen Rückenperspektive berichteten.
https://www.visual-history.de/2017/09/12/g20-treffen-als-bilderkrieg/
• Für atmosphärische Auf- und Entladung sorgte die Innenbehörde bei der ersten öffentlichen Sitzung des Sonderausschusses "Gewalttätige Ausschreitungen rund um den G 20-Gipfel in Hamburg" am 21.09.2017. Wie weit das "umfassende Aktenvorlageersuchen" der Parlamentarier geht, zeigte sich nicht nur im Reglemenent für den Aufzeichnungsumfang und des limitierten Personenzugangs, sondern vor allem bei den extensiv vorgenommenenen Aktenschwärzungen, einschließlich des Rahmenbefehls vom 09.06.2017, aus dem eine Priorisierung des Schutzes der Staatsgäste vor den Hamburger Bürger_innen entnommen werden kann.
Der Rahmenbefehl im Wortlaut:
http://www.welt.de/bin/polizei-168875442.p
• Auch dann, wenn die schriftliche Begründung der Entscheidung des Hamburger Amtsgerichts mit einer Verurteilung eines Niederländers zu einer drakonischen Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 7 Monaten wegen §§ 113, 114, 125, 125a StGB auf einer Demonstration gegen G 20 noch nicht vorliegt, hat das verhängte Strafmaß heftige Kritik und Unruhe ausgelöst. Zu Recht wie Hans Ernst Müller, Professor für Strafrecht, Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzugrecht an der Universität Regensburg, meint und die Praxis der Strafzumessung und hinlänglich objektivierbare Kriterien mit seinem Beitrag "Strafzumessung - In der Dunkelkammer" problematisiert.
• Das Verwaltungsgericht Hamburg hat auf das Anerkenntnis der Innenbehörde Hamburg in zwei Urteilen vom 25.09.2017 entschieden, dass die Ingewahrsamnahme von Mitgliedern der Sozialistischen Jugend Die Falken, die am 8. Juli 2017 mit einem angemieteten Bus auf dem Weg zu einer Demonstration gegen das G 20-Treffen waren, rechtswidrig war.
http://justiz.hamburg.de/aktuellepresseerklaerungen/9570816/pressemitteilung/
Darüber hinaus fordern die 44 über Stunden festgehaltenen Mitglieder der Falken von der Stadt Hamburg Schadensersatz in Höhe von insgesamt € 15.000 wegen der unrechtmäßigen Behandlung.
www.ndr.de/nachrichten/hamburg/G20-Einsatz-gegen-Jugendliche-rechtswidrig,gipfeltreffen686.html
• Heiner Busch vom Komitee für Grundrechte und Demokratie kommentiert und informiert in seinem Betrag "Die Hamburger Datenschlacht" über die unerschöpflichen Datensammlungen der "Sicherheitsbehörden" anlässlich der Proteste gegen den G-20-Gipfel.
www.grundrechtekomitee.de/node/888
Bundesweiter Kongress am 07.10.2017 in Düsseldorf: "Demonstrationsrecht verteidigen!"
Angesichts des aktuellen Abbaus verfassungsmäßiger Grundrechte, der hohen Haftstrafen bei den laufenden Prozessen gegen Demonstranten beim G20-Gipfel in Hamburg, und des bedrohlichen Wahlsiegs rechter und ultra-rechter Parteien bei der Bundestagswahl lädt die Initiative "Demonstrationsrecht verteidigen!" am 7.10.2017 zum öffentlichen Kongress nach Düsseldorf ein – der Eintritt ist frei. Der Kongress findet in der Volkshochschule Düsseldorf, Bertha-von-Suttner-Platz 1 von 11h00 bis 18h00 statt.
Die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen unterstützt die Initiative "Demonstrationsrecht verteidigen" und ruft zur Teilnahme am Kongress auf.
Aus der Erklärung der Initiative:
"Seit den jüngsten Gesetzesänderungen durch die Bundesregierung (u.a. §§113, 114 StGB sowie Massen-Überwachung von WhatsApp/facebook), der Initiative zur Einschränkung des Streikrechts („Tarifeinheit“) und den schweren Grundrechtsverletzungen gegen Demonstrant*innen, Sanitäter*innen, Rechtsanwält*innen und Journalist*innen beim G20-Gipfel in Hamburg im Juli 2017 ist es offensichtlich: Nach den Repressionen gegen Flüchtlinge und Migrantenorganisationen werden der gesamten sozialen Bewegung und der ganzen Bevölkerung der Bundesrepublik grundlegende demokratische Rechte genommen – insbesondere das Recht auf Versammlungsfreiheit."
demonstrationsrecht-verteidigen.de/category/neuigkeiten/
Anmeldung: info@demonstrationsrecht-verteidigen.de
Sofortige Freilassung der inhaftierten türkischen Kolleginnen und Kollegen
Auf einer Protestkundgebung vor der türkischen Botschaft haben am 21.09.2017 in großer Zahl Angehörige der RAK Berlin, des RAV, der VDJ, der EJDM und der Berliner Strafverteidigervereinigung die sofortige Freilassung der 16 türkischen Kolleginnen und Kollegen Barkın Timtik, Ebru Timtik, Süleyman Gökten, Ezgi Çakır, Ahmet Mandacı,Yağmur Ereren, Aytaç Ünsal, Didem Baydar Ünsal, Ayşegül Çağatay,Engin Gökoğlu, Behiç Aşçı, Aycan Çiçek, Şükriye Erden, Özgür Yılmaz, Zehra Özdemir, Naciye Demir, alle Mitglieder des ÇHD (Progressive Lawyers Association) gefordert.
Ebenso haben VDJ und EJDM die sofortige Freilassung der bereits im August inhaftierten deutsch-türkischen Rechtsanwältin Deniz Yildirim aus Antalya verlangt und sich an das türkische Justizministerium und die türkische Botschaft sowie an das Auswärtige Amt wegen konsularischen Schutzes gewandt.
Europäische Konferenz in London am 11.11.2017: European Union, Brexit - the future of the workers' rights
EJDM und Haldane Society of Socialist Lawyers veranstalten am Samstag, den 11.11.2017 in London, Diskus Centre at Unite, 128 Theobald's Road, Holborn, London, WC1X 8T von 0930 bis 18h30 eine Konferenz zur "Europäischen Union, Brexit und die Zukunft der Arbeitnehmerrechte". Die Konferenz wird von der Gewerkschaft Unite the union, Institute for Employment Rights IER und den European Lawyers for Workers ELW unterstützt.
Themen werden sein:
• The Future of Trade Union Rights, social rights (collective labour law, for a social Europe instead of a “social pillar),
• How to create more security for workers (concepts on national and European level for individual labour law for domestic and migrant workers),
• How to defend the rights of refugees and migrants. The impact of Brexit and EU policy und
• European Democracy and human rights – between (Br)Exit and the rule of exeption (How to develop European Democracy, how to fight non-democratic developments in EU states).
Anmelde-/ Teilnahmekosten: € 55,00
http://www.eldh.eu/de/termine/termin/european-union-brexit-the-future-of-workers-rights-278/
Anmeldung mit vollständigem Namen, Anschrift, Emailadresse, Beruf bei: registration@eldh.eu
Racial Profiling: VG Dresden hält Personenkontrolle eines algerischen Staatsangehörigen für rechtswidrig
Das VG Dresden hat in einer Entscheidung vom 09.08.2017 - 6 K 196/15 - festgestellt, dass die Personalienfeststellung und der Personalienabgleich des algerischen Klägers im Regionalexpress rechtswidrig waren. Auch dann, wenn das Gericht - wie häufig - den Umstand der Hautfarbe bei der rechtlichen Beurteilung der Maßnahme hat dahinstehen lassen, hat es den Versuch der Bundespolizei, die Maßnahme auf § 23 Abs. 1 BPol zu stützen, weil sich die Bundespolizeibeamten möglicherweise "Erkenntnisse für irgendeine ihrer Aufgaben" versprochen hätten, für völlig abwegig gehalten.
www.anwaltskanzlei-adam.de/index.php
LSG NSB urteilt zu Passbeschaffungskosten: Anspruch nach § 73 SGB XII
Das LSG Niedersachsen-Bremen hat mit Urteil vom 13.06.2017 - L 7 AS 1794/15 - entschieden, dass die Passbeschaffungskosten nicht über die Mehrbedarfsregelung des § 21 Abs. 6 SGB II zu übernehmen sind, da es sich nicht um einen laufenden, sondern um einen einmaligen Bedarf handelt. Die Kosten für einen (deutschen oder ausländischen) Pass sind nicht Teil des Regelbedarfs im SGB II oder XII, da hierin lediglich monatlich 25 Cent für die Beschaffung eines deutschen Personalausweises enthalten sind. Insofern ist wohl auch keine Übernahme im Rahmen eines Jobcenter-Darlehens nach § 24 SGB II möglich. Daher ist für die Übernahme der Passbeschaffungskosten auch für Leistungsberechtigte nach § 73 SGB XII eröffnet.
Weiteres: harald-thome.de/fa/redakteur/Harald_2017/Claudius_Voigt_20.09.2017.pdf
Belgisches Gericht entscheidet: PKK ist keine Terrororganisation
In einem Verfahren gegen 36 Beteiligte, darunter etliche prominente kurdische Politiker, kommt das belgische Gericht zu dem Ergebnis, dass die PKK nicht nach den Antiterrorgesetzen Belgiens verfolgt werden könne. Sie sei keine Terrororganisation, sondern Partei in einem nicht internationalen bewaffneten Konflikt.
anfenglish.com/news/belgian-court-pkk-is-not-a-terrorist-organisation-22119
Lesegut: Aufweichung von Daten-Grundrechten durch Handelsabkommen, z. B. TiSA
Textausriss aus: "Seele verloren? Überprüfen Sie Ihre Systemeinstellungen"
"Die nachhaltigste Aufweichung unserer Daten-Grundrechte droht aktuell aus der Handelspolitik. Auf diesem Feld werden derzeit Vorschlägeverhandelt, bei denen sich der Gesetzgeber binden soll, auch in Zukunftsinnvoll erscheinende Maßnahmen zu unterlassen, die den freien Fluss der Daten erschweren könnten. Auf dem Spiel steht das Recht des Staates, datenschutzfördernd einzugreifen. Das E-Commerce-Kapitel des geplanten Dienstleistungsabkommens TiSA beispielsweise liest sich wie ein Verbotskatalog von sachgerechten staatlichen Maßnahmen für einePost-Snowden-Ökonomie, allen voran die kontroversen Verbote einerOffenlegungspflicht für Quellcodes in der staatlichen Beschaffung undeiner Datenlokalisierung, d.h. einer „Standortpflicht“ für Daten (man
stelle sich z.B. vor, estländische eGovernment-Daten würden in derCloud gespeichert, der Cloud-Anbieter hat das Rechenzentrum in Russlandangesiedelt und es kommt zu politischen Spannungen zwischen den beiden Ländern).
Dahinter steht unter anderem die Zukunftsangst transatlantisch operierender Digitalkonzerne. Wir wissen etwa, dass die höchstsensiblen SWIFT-Daten über den europäischen Zahlungsverkehr, die in einRechenzentrum in den USA gespiegelt wurden, dort ungefragt zurTerrorbekämpfung staatlich ausgewertet wurden. Politisch sehr delikat,
denn mit SWIFT-Daten ist Industriespionage und politische Erpressung in ungeahnten Ausmaßen möglich."
Kanzlei - Bürogemeinschaft in Düsseldorf
Rechtsanwalt Jasper Prigge plant für die Zeit ab November 2017 den Aufbau eines Büros in Düsseldorf und sucht Mitstreiterinnen und Mitstreiter, die sich eine Berufsausübung in Bürogemeinschaft vorstellen können. Perspektivisch ist auch die Gründung einer Sozietät denkbar. Ein Einstieg wäre flexibel möglich.
Seit zwei Jahren ist er (bislang nebenberuflich) als Rechtsanwalt tätig, vorwiegend im Verwaltungsrecht und im Medienrecht. Weitere Infos auf seiner Webseite: www.jasperprigge.de
Bei Interesse bitte Rückmeldung an kanzlei@jasperprigge.de
Weitere Termine - Veranstaltungen
• Frankfurt/M.: Herbsttagung des Arbeitskreises Arbeitsrecht, Samstag, O7.10.2017 in der IGM-Vorstandsverwaltung, Wilhelm-Leuschner-Str. 79, 10h30 bis 16h00: 1. Grundlinien in der Rechtsprechung zu sozialen Menschenrechten von EGMR und EuGH; 2. Beerdigung 2. Klasse für die unbillige aber verbindliche Weisung?
• Frankfurt/ M.: Herbstratschlag attac, Freitag, 20.10 bis Sonntag, 22.10, Freie Waldorfschule, Friedlebenstraße 52, 60433 Frankfurt am Main, Programm/ Tagesordnung: http://www.attac.de/ratschlag/tagesordnung/
• Hamburg: Niemand redet mehr von Berufsverboten, wir schon!, Freitag, 03.11.2017, 16h00 - 21h00, Curiohaus, Rothenbaumchausse 15, 20148 Hamburg, Raum ABC, Veranstalter: GEW Hamburg und Fachschaftsrat Jura der Universität Hamburg, Programm/ Ablauf: https://www.gew-hamburg.de/themen/aktionen-und-kampagnen/niemand-redet-mehr-von-berufsverboten-wir-schon
• Hamburg: Sonderausschusssitzung der Hamburgischen Bürgerschaft zu G 20, Donnerstag, 09.11.2017, voraussichtlich ab 18h00 per Livestream: www.hamburgische-buergerschaft.de/buergerschaft-live/
Frankfurt/M.: Herbsttagung des Arbeitskreises Familienrecht, Samstag, 11.11.2017, Saalbau Gallus, Frankenallee 111 in Frankfurt/ M. von 10h00 bis 16h00, "Bewertungen im Zugewinn- und Versorgungsausgleich".
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