VDJ Info 12/2019 vom 23.10.2019

Berliner Mietendeckel am Start

Nach langen kontroversen Diskussionen hat der Berliner Senat hat am 22.10.2019 - einen Gesetzentwurf "zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung" vorgelegt. Kernstück des Mietendeckels ist ein Mietenstopp für fünf Jahre und von tabellarisch nach Bezugsfertigkeit und Ausstattung der Wohnungen festgelegte Mietobergrenzen, die auf der Basis des Berliner Mietenspiegels von 2013 mit Berücksichtigung der Reallohnentwicklung bis 2019 bestimmt worden sind, bei der die Obergrenze bei moderner Ausstattung sich um 1 Euro erhöht. Neubauwohnungen ab 2014 und Sozialwohnungen sind von der Regelung ausgenommen.

Bei Weitervermietung gilt die Vormiete. Falls die Vormiete die Obergrenze überschritt, gilt die Tabellenmiete. Bei Wiedervermietung dürfen Mieten unter 5 Euro pro Qudratmeter um höchstens einen Euro auf maximal 5 Euro angehoben werden.

Nicht einigungsfähig war die ursprünglich im Referentenentwurf vorgesehene Regelung der Absenkung von überhöhten Mieten, wenn die Mietbelastung mehr als 30 Prozent des anrechenbaren Haushaltseinkommens beträgt. Nunmehr kann eine Wuchermiete auf den jeweiligen Mietoberwert gekappt werden, wenn sie mehr als 20 Prozent der gesetzlichen Tabellenmiete überschreitet.

Während Handelsblatt und TAZ den Mietendeckel gleichermaßen als "Revolution auf dem Wohnungsmarkt" qualifizieren, bewertet die Süddeutsche Zeitung das Gesetz deutlich mit Bodenhaftung: "Sollte er juristisch Bestand haben, kann er ein Signal für ganz Deutschland sein: Die Politik kann doch etwas gegen obszöne Gewinne mancher Wohnungskonzerne tun." Für den Berliner Mieterverein ist er "eine historisch einmalige Chance für ein besseres Mietensystem, das die Defizite der ortsüblichen Vergleichsmiete vermeidet und Mietern am Ende auch leichter zu ihrem Recht verhelfen wird".

Campact verliert Gemeinnützigkeit

Das Berliner Finanzamt hat Campact den Status der Gemeinnützigkeit aberkannt. Nach Prüfung der Jahre 2015 bis 2017 sei die Organisation überwiegend allgemeinpolitisch tätig gewesen und habe Kampagnen zu Themen durchgeführt, die keinem gemeinnützigen Zweck der Abgabenordnung zugeordnet werden könnten. Ebenso wenig handele es sich um politische Bildung: "Im Vordergrund stand nicht die Information über politische Prozesse, sondern vielmehr die Einflussnahme auf diese." Damit folgt das Finanzamt der Entscheidung des Bundesfinanzhofes von Februar 2019, in der bereits attac die Gemeinnützigkeit entzogen worden ist.

In dem Appell "Die Zivilgesellschaft ist gemeinnützig", zu deren Unterzeichnung campact aufruft, fordert campact die gesetzlichen Grundlagen für die Gemeinnützigkeit von Organisationen grundlegend zu überarbeiten.

Digitalcourage erhebt Verfassungsbeschwerde gegen TKÜ und Q-TKÜ im PolG NRW

Digitalcourage wird am 30.10.2019 Verfassungsbeschwerde gegen gegen die im PolG NRW neu eingeführte präventive Telekommunikationsüberwachung - TKÜ - sowie die Quellen-Telekommunikationsüberwachung - Q-TKÜ - mit Staatstrojanern erheben. Die angegriffenen Regelungen ermöglichen der Polizei faktisch eine Überwachung der gesamten Internetkommunikation. Das umfasst Kommunikation zwischen Menschen, aber auch jegliches Surfverhalten – besonders dann, wenn Staatstrojaner eingesetzt werden, um Verschlüsselung zu umgehen. Das Ganze darf unter Voraussetzungen durchgeführt werden, die verfassungsrechtlichen Anforderungen an Bestimmtheit und Nachvollziehbarkeit nicht mehr genügen.

VG Hamburg: Anordnung des Datenschutzbeauftragten zur Löschung von Daten der Referenzdatenbank zur Aufklärung von Straftaten beim G20-Gipfel ist rechtswidrig

Nach dem Urteil des VG Hamburg vom 23.10.2019 - 17 K 203/19 - ist die vom Datenschutzbeauftragten angeordnete Löschung der Referenzdatenbank, in der Datenmaterial, das u. a. über die von der Polizei verwendete Gesichtserkennungssoftware zur Aufklärung von Straftaten beim G20-Gipfel gespeichert ist, rechtswidrig. So hätte der Datenschutzbeauftragte die Datenverarbeitung der Polizei in der konkret praktizierten Form in den Blick nehmen und eigene Feststellungen zu einem Verstoß gegen Vorschriften des Datenschutzes treffen müssen. Die Anordnung ist zudem ermessensfehlerhaft, weil der Datenschutzbeauftragte die Möglichkeit, etwaige Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften durch normkonkretisierende Auflagen zu kompensieren, nicht in Betracht gezogen und seiner Entscheidung einen fehlerhaften Bewertungsmaßstab zugrunde gelegt hat.

Fact Finding Mission zur Klärung der Umstände, die zur Verurteilung von 18 türkischen Anwälten geführt haben

Vom 13.-15.10.2019 erkundete eine Gruppe von 15 Anwält*innen aus 7 Ländern, unter ihnen Vertreter*innen der EJDM und EDL, die rechtlichen Umstände, die zur Verurteilung von 18 türkischen Anwälten durch den 37. Obersten Strafgerichtshof im März mit langen Gefängnisstrafen geführt hat.

Gegenstand der Klärung war, inwieweit die Unabhängigkeit des Gerichts im Verfahren bestanden hat, ob der Grundsatz, dass niemand wegen derselben Straftat zweimal vor Gericht gestellt werden sollte, eingehalten wurde, die Grundsätze eines fairen Verfahrens nach türkischem und europäischem Recht eingehalten wurden und die Beweise den gesetzlichen Anforderungen entsprachen.

Während ihres Aufenthaltes bestand auch die Möglichkeit zu unmittelbarem Kontakt mit dem Vorsitzenden des CHD und Litten-Preisträger Selçuk Kocağaçlı.

EJDM: Verurteilung der türkischen Invasion in Rojava / Nordost-Syrien

In einer Erklärung vom 12.10.2019 verurteilt die EJDM die Invasion der Türkei in Nordost-Syrien, die eine grobe Verletzung des Völkerrechts durch die Türkische Republik und ihre Vertreter darstellt. Sie verurteilt auf das Schärfste die Erleichterung dieser Invasion durch die USA. Ebenso verurteilt sie schließlich das Veto der USA und Russlands gegen eine Erklärung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen von fünf europäischen Mitgliedstaaten - Frankreich, Deutschland, Belgien, Großbritannien und Polen - gegen die Militäraktion.

Lesbares: Rolf Gössner - 70 Jahre Grundgesetz – 70 Jahre Verfassungswirklichkeit: eine kritische Bilanz

Anlässlich des 70. Jahrestages des Grundgesetztes veranstaltete die LEA-Bildungsgesellschaft der GEW Hessen eine Fachtagung zum Thema „Autoritäre Wende? Demokratie und Grundrechte auf dem Prüfstand“. Dr. Rolf Gössner sprach auf der Veranstaltung zu 70 Jahren Verfassungswirklichkeit und setzte sich mit dem Spannungsverhältnis zwischen verfassungsrechtlichem Anspruch und Verfassungswirklichkeit auseinander sowie den wichtigsten sicherheitspolitischen Etappen der Bundesrepublik.

Der Beitrag ist in zwei Teilen in Telepolis - Teil 1 und Teil 2 abrufbar.

Termine - Veranstaltungen

• Berlin: Podiumsdiskussion am 07.11.2019, 18.00 Uhr "Zeug*innen wie alle anderen? Polizeibeamt*innen als Tatzeug*innen" im Plenarsaal des Kammergerichts, Elßholzstraße 30-33, 10781 Berlin. Es diskutieren: Prof. Dr. em. Günter Köhnken, Rechtspsychologe Kiel | StA Dr. Heiko Artkämper, Dortmund | VRi LG-Berlin Kristin Klimke | Marco Noli, AG Fananwälte | RA Lukas Theune, Berlin. Veranstalter: Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV),Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V., AG Fananwälte in Kooperation mit dem Verein Forum Recht und Kultur im Kammergericht e.V.

• München: Vortragsveranstaltung mit Podiumsdiskussion am 15.11.2019, von 14.15 - 19.00 Uhr "Whistleblowing in Deutschland –Zivilcourage oder Verrat?" im Institut für Kommunikationswissenschaften und Medienforschung,Oettingenstraße 67,EG Hörsaal B001. Veranstalter: DFG Sonderforschungsbereich 1369 „Vigilanzkulturen“ (Lehrstuhl für Strafrecht und Kriminologie) und Transparency International Deutschland e. V., RG München. Anmeldung bis 08.11.2019 unter ausschließlicher Verwendung des Anmeldeformulars ist unbedingt erforderlich.

• Berlin: Symposium am 29.11.2019, 14.00 Uhr: "Koloniales Erbe V: Das Beispiel Namibia" in der Akademie der Wissenschaften Berlin, Pariser Platz 4, 10117 Berlin. Veranstalter: ECCHR und Akademie der Wissenschaften in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung.

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