VDJ Info 2/2024 vom 20.02.2024

VDJ Info - Rechtspolitischer Newsletter

Verbot rechter Parteien als Chance oder Gefahr?

Angesichts anhaltend hoher Umfragewerte für die AfD hat die Diskussion um ein Parteiverbotsverfahren eine neue Dringlichkeit erhalten. Befeuert wurde diese Entwicklung durch ein Treffen von Rechtskonservativen bis Rechtsextremen in Potsdam, das unter dem Motto "Remigration" stand und das völkische Gedankengut der deutschen Rechten offenbarte.

Der Bundesvorstand der VDJ hat die Frage des Parteiverbots auf seiner Vorstandssitzung im Januar diskutiert. Nach einem Referat von Jonas Dyda wurden die politischen und rechtlichen Herausforderungen eines solchen Verfahrens und die (anti-)demokratische Dimension von Parteiverbotsverfahren generell erörtert. Rechtlich stellt sich die Frage, ob der Verbotsantrag auf bestimmte, besonders radikale Teile einer Partei begrenzt werden könnte. Außerdem wurde die hohe verfassungsrechtliche Verbotshürde diskutiert, da ein Verbot nur in Betracht kommt, wenn eine Partei die als unveränderlich geschützten Artikel 1 und Artikel 20 GG ernsthaft bekämpft. Außerdem müsste der Antrag von der Bundesregierung, dem Bundestag oder dem Bundesrat gestellt werden.

Sollten sich die völkisch-rassistischen Äußerungen von Teilen der AfD der Partei zurechnen lassen und in der Verletzung der Menschenwürde und des Rechtsstaatlichkeit ein Angriff auf die Grundsätze der Verfassung liegen, würden sich weitere politische Herausforderungen stellen. Denn wem ein Verfahren während seiner voraussichtlich langen Dauer nützen würde, ist ebenso unklar, wie das Ergebnis des Verfahrens. Gewönne die AfD, könnte sie sich als verfassungsrechtlich unbedenklich darstellen. Ohne ein Verfahren steht jedoch die Gefahr der weiteren Normalisierung von rechtsextremen Positionen im Raum. Ebenfalls diskutiert wurde die prinzipielle Frage von Parteiverboten und ihren Folgen für die Demokratie und für andere radikale oppositionelle Bewegungen und Gruppen.

Mit der hier zusammengefassten Diskussion ist die Thematik für den Bundesvorstand nicht abgeschlossen. Wir laden alle Kolleginnen und Kollegen ein, die Frage in den Regionalgruppen zu diskutieren und an der Entwicklung einer gemeinsamen Position im Verband mitzuwirken. Die Ergebnisse von lokalen Diskussionen sollen dabei in den Bundesvorstand zurückgespiegelt werden.

Neues Fortbildungsprogramm der VDJ im Arbeitsrecht in den Startlöchern!

Bereits im Mai 2024 ist es so weit: In Kooperation mit ver.di bildung und beratung startet ein umfangreiches Fortbildungsprogramm für Fachanwält*innen! Damit möchte die VDJ eine Lücke in der Fachanwaltsfortbildung schließen: Thematisch stehen typische Beratungsfelder im kollektiven Arbeitsrecht auf dem Programm (Betriebsänderung, Interessenausgleich, Sozialplan, Umfang der Mitbestimmungsrechte), um den Anforderungen bei der Betreuung von Betriebs- und Personalräten gerecht zu werden. Darüber hinaus werden Themen mit individualrechtlichem Bezug angeboten (z.B. neue Rechtsprechung des BAG und des EuGH zum Urlaubsrecht, Aufhebungsvertrag und Abfindung, Kündigungsschutz).

Die Fortbildungsseminare sollen zum Praxisaustausch beitragen und Kolleg*innen bei der Vertretung von Arbeitnehmenden und ihren Interessenvertretungen helfen. Die Dozierenden werden von der VDJ ausgewählt. Weitere Informationen zu dem Programm finden sich hier.

Über die Verbreitung des Angebots an potenziell Interessierte freuen sich die Organisator*innen!

Programm und Anmeldung

#StopSendingArms: VDJ und mehr als 100 Organisationen unterstützen Erklärung

Die VDJ unterstützt die Erklärung #StopSendingArms - An Open Call to all UN Member States to stop fuelling the crisis in Gaza and avert further humanitarian catastrophe and loss of civilian life.

Wir fordern die Bundesregierung auf, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um dem Urteil des Internationalen Gerichtshofs (IGH) zur Wirksamkeit zu verhelfen und Menschenleben in Gaza zu schützen. Der IGH hat alle Länder aufgefordert, der Gefahr des Völkermords in Gaza mit allen Mitteln zu begegnen. Die Bundesregierung muss deshalb Waffenlieferungen an Israel beenden und sich für eine sofortige Waffenruhe einsetzen.

Die vollständige Erklärung und alle Unterzeichnenden findet sich hier.

Zweiter Teil unserer Prozessbeobachtung zum DHKP-C-Prozess in Düsseldorf

Seit nahezu acht Monaten findet vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf der Prozess gegen Özgül Emre, Serkan Küpeli und Ihsan Cibelik wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung nach § 129b StGB statt. Seit fast zwei Jahren befinden sie sich in Untersuchungshaft. Die Anträge auf Haftentlassung wurden bisher abgelehnt. Den Angeklagten werden keinerlei terroristische Akte vorgeworfen. Im zweiten Teil unserer Prozessbeobachtung thematisieren wir die problematische Heranziehung von digitalen Beweisen, deren Authentizität nicht sichergestellt werden kann und die Problematik der Verfolgungsgenehmigung durch deutsche Behörden zugunsten eines Staates wie der Türkei, in dem oppositionelles Verhalten pönalisiert wird.

Der vollständige Beitrag findet sich hier.

Rechtsprechungsübersicht

Ebenfalls zu dem Themenkomplex Parteiverbot und Parteienfinanzierung: Der Zweite Senat des BVerfG hat mit Urteil vom 23.01.2024 (2 BvB 1/19) die Partei "Die Heimat" (vormals NPD) unter Anwendung von Art. 21 Abs. 3 GG für sechs Jahre von der staatlichen Parteienfinanzierung nach § 18 Parteiengesetz ausgeschlossen. In dem Urteil argumentierte das BVerfG, dass die Möglichkeit des Ausschlusses von der Parteienfinanzierung nach Art. 21 Abs. 3 GG unter anderen - und niedrigeren - Voraussetzungen als denen für ein Parteiverbot nach Art. 21 Abs. 1 kein "verfassungswidriges Verfassungsrecht" darstellt. Nach Auffassung des Gerichts verstößt die grundgesetzliche Regelung nicht gegen das durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützte Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1 und 2 GG. Der Senat argumentiert, dass Parteien, die die freiheitlich demokratische Grundordnung oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland angreifen, nicht nach dem Demokratieprinzip gleichzubehandeln sind. Allerdings setze Art. 21 Abs. 3 GG ein "qualifiziertes und planmäßiges Handeln zur Beseitigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung oder zur Gefährdung des Bestandes der Bundesrepublik" voraus. Weil die Voraussetzungen des Ausschlusses von der Parteienfinanzierung andere sind als diejenigen zum Parteiverbot, lassen sich die Argumente jedoch nur bedingt auf die oben im Newsletter dargestellte Diskussion übertragen.

Das Urteil des BVerfG kann hier nachgelesen werden.

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