VDJ Info 8/2021 extra vom 09.06.2021
Erster internationaler "Fair Trial Day" und Ebru Timtik-Preisverleihung am 14.06.2021 im Live-Stream
Am 14. Juni 2021 findet vom 15 Uhr bis 17:15 Uhr erstmals der Internationale "Fair Trial Day" und die Verleihung des neu gestifteten Ebru Timtik-Preises im Rahmen einer Videokonferenz statt. Die Tagung ist der Frage nach der Unabhängigkeit von Rechtsanwält*innen und Justiz sowie in diesem Zusammenhang der Situation von Akademiker*innen, Journalist*innen und der Zivilgesellschaft gewidmet. Außerdem wird im Rahmen der Veranstaltung erstmals der Ebru Timtik-Preis verliehen werden. Er erinnert an die türkische Rechtsanwältin und Menschenrechtsaktivistin Ebru Timtik. Sie wurde wegen ihrer Verteidigung oppositioneller Kräfte in der Türkei unter dem Vorwand der Terrorismusunterstützung zu einer langen Haftstrafe verurteilt und starb 2020 nach 238 Tagen im Hungerstreik in einem Gefängnis in Istanbul. Die Veranstaltung findet in englischer Sprache statt. Das vollständige Programm mitsamt der Einwahldaten findet sich hier. Die Teilnahme ist frei.
Demonstration gegen das Versammlungsgesetz NRW am 26.06.2021 in Düsseldorf
Am 26.06.2021 um 13:00 Uhr findet am DGB-Haus in Düsseldorf eine Großdemonstration gegen das von der schwarz-gelben Landesregierung geplante neue Versammlungsgesetz NRW statt. Die VDJ unterstützt das Bündnis "Versammlungsgesetz NRW stoppen". Der Entwurf der Landesregierung ist weniger ein Versammlungsgesetz mit dem Ziel, den Versammlungszweck zu schützen, als vielmehr eine Blankoermächtigung zur polizeilichen Regulierung und Überwachung von Versammlungen. Der Entwurf stellt sich mehr oder weniger ausdrücklich gegen die versammlungsfreundliche Rechtsprechung des BVerfG im Brockdorf-Beschluss. Er steht im deutlichen Zusammenhang einer Versicherheitlichung der Gesellschaft und ist aus bürgerrechtlicher Sicht voll und ganz abzulehnen. Für den Widerstand gegen diesen Entwurf wird die Demonstration am 26.06.2021 ein wichtiger Gradmesser sein, weshalb die VDJ den Aufruf zur Demonstration deutlich unterstützt. Weitere Informationen zur Demonstration und zum Bündnis finden sich hier.
Grundrechte-Report 2021 am 26.05.2021 in Berlin vorgestellt
Der neue Grundrechte-Report - als zivilgesellschaftlicher Gegenbericht zum Verfassungsschutzbericht - ist am 26. Mai 2021 in Berlin vorgestellt worden. Das Heft setzt sich schwerpunktmäßig mit "Ungleichen Freiheiten und Rechte in der Krise" und damit mit einem Jahr pandemiebedingter Freiheitsbeschränkungen und Ungleichheit auseinander. Es greift aber auch andere Themen wie staatliche Kontrolle, Datenschutz, Minderheitsrechte, den Schutz von Geflüchteten und den Rassismus von Behörden auf. Das Thema der polizeilichen Verwendung des Konzepts der "Clankriminalität" war ein Schwerpunkt der Vorstellung in Berlin. Wie der Betroffene Mohammed Chahrour von der Initiative "Kein Generalverdacht" bei der Vorstellung berichtete: "Sippenhaft und Kollektivschuld bleiben 2021 Bestandteil der gesellschaftlichen Realität für viele Menschen. Das Versprechen des Rechtsstaats wird bei ethnischen Minderheiten und sozial benachteiligten Gruppen nicht eingelöst: Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich." Vorgestellt wurde der diesjährige Report von Prof. Dr. Naika Foroutan. Der Report, der unter anderem von der VDJ herausgegeben wird, fand erneut ein breites Medienecho. Eine Pressemitteilung findet sich hier. Interessierte können den Report im lokalen Buchhandel erwerben.
Übers Kreuz gestolpert? Andreas Heusch wird nicht Präsident des Verfassungsgerichtshofs NRW
Die VDJ hatte über die Causa Heusch in der Vergangenheit bereits berichtet. Nach heftiger Kritik an dem Kandidaten der Landesregierung als Präsident des Verfassungsgerichtshofs in NRW, Heusch, wurde nun die Kölner Jura-Professorin Barbara Dauner-Lieb zur Präsidentin des NRW-Verfassungsgerichtshofs gewählt. Heusch zog daraufhin auch seine Bewerbung zum Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts zurück. Heusch war wegen verschiedener Aktionen in die Kritik geraten. 2010 hatte er am Tag der Deutschen Einheit ein deutlich sichtbares Kreuz aus Resten des ehemaligen Grenzzauns zwischen Ost- und Westdeutschland im Haupttreppenhaus des Verwaltungsgerichts aufhängen lassen und sich damit gegen den Kruzifix-Beschluss des BVerfG gestellt. Das nährte Zweifel an der Verfassungstreue des potentiellen Verfassungsrichters. Aber auch sonst stand Heusch für zweifelhafte Entscheidungen: 2015 hatte seine Kammer am Düsseldorfer Verwaltungsgericht dem Düsseldorfer Oberbürgermeister untersagt, als Zeichen des Protests gegen rechte Demonstranten die Lichter im Rathaus auszuschalten. Ein Bericht mit humorvollen Leser:innenkommentaren findet sich hier.
Vorlage ans BVerfG: BVerwG hält Bafög-Basistarife für verfassungswidrig
Mit Vorlagebeschluss vom 20.05.2021 hat das Bundesverwaltungsgericht dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob der Basissatz des Bafög für die Jahre 2014/2015 mit der Verfassung vereinbar ist. Nach Überzeugung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Festlegung des Bedarfssatzes im Zeitraum von Oktober 2014 bis Februar 2015 mit dem verfassungsrechtlichen Teilhaberecht auf gleichberechtigten Zugang zu staatlichen Ausbildungsangeboten (Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG) nicht vereinbar. Dieses Teilhaberecht verpflichte den Gesetzgeber, "für die Wahrung gleicher Bildungschancen Sorge zu tragen und im Rahmen der staatlich geschaffenen Ausbildungskapazitäten allen entsprechend Qualifizierten eine (Hochschul-) Ausbildung in einer Weise zu ermöglichen, die den Zugang zur Ausbildung nicht von den Besitzverhältnissen der Eltern abhängig macht, sondern ihn so gestaltet, dass soziale Gegensätze hinreichend ausgeglichen werden und soziale Durchlässigkeit gewährleistet wird." Da das Gericht die Verfassungswidrigkeit nicht selbst feststellen konnte, legte es die Frage dem Bundesverfassungsgericht vor. Die Pressemitteilung des Gerichts findet sich hier.
IALANA unterstützt VDJ-Erklärung zu Palästina/Israel
Die deutsche Sektion der „International Association of Lawyers against Nuclear Arms" (IALANA) hat sich der Erklärung der VDJ vom 18.05.2021 angeschlossen, in der die VDJ die Bundesregierung auffordert, auf einen völkerrechtskonformen Frieden in Palästina/Israel hinzuwirken und sich nicht einseitig auf die Seite von Konfliktparteien zu stellen. Die Erklärung, die sich insbesondere mit dem völkerrechtlichen Hintergrund der Auseinandersetzung befasst, findet sich hier.
Lesenswert: Martin Kutscha über "Verfassungsschutz von unten"
Der ehemalige VDJ-Vorsitzende Martin Kutscha hat einen lesenswerten Beitrag zur Frage geschrieben, von wem und vorallem von wo aus die Verfassung geschützt wird. Er erinnert an den Kompromisscharakter des Grundgesetzes und setzt sich gegen eine gesinnungspolitische Jagd auf Linke zur Wehr: "Gleichwohl wetteifern rechte Politiker, »Verfassungsschützer« und Wirtschaftsvertreter darum, jedwede Forderung nach Eingriffen in die Eigentumsordnung, einer höheren Besteuerung der Reichen oder jetzt der Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne in Berlin als »extremistisch« oder als »verfassungsfeindlich« zu brandmarken. Dabei finden sich beide Begriffe weder im Grundgesetz noch beispielsweise im Bundesverfassungsschutzgesetz." Die Verfassung werde nicht von oben, sondern von unten verteidigt: Als Grenze staatlicher Willkür und Selbstherrlichkeit. "Wenn die Staatsgewalt bei der Verfolgung ihrer klassenpolitischen Ziele über die Stränge schlägt, die ihr die Verfassung angelegt hat, sind Protest und Gegenwehr, ist aktiver Verfassungsschutz »von unten« geboten." Der Beitrag findet sich hier.
Hörenswert: Podcast zum Ende Pariser Commune vor 150 Jahren
Vom 18. März bis zum 28. Mai 1871 - nur 72 Tage existierte die Pariser Commune und war doch in der Geschichte der Arbeiter:innenbewegung ein dauerhafter Bezugspunkt, der 150 Jahre später nicht vergessen ist. Der Akademische Arbeiterliederchor aus Frankfurt hat nun einen zweiten Teil seines Podcasts zur Commune online gestellt, in dem es um die "Blutwoche" und das Ende der Commune geht. Er findet sich hier. Auch der erste Teil ist weiterhin hier abrufbar.