Erklärung

Gemeinsame Erklärung zum Gesetzentwurf über die Vorratsdatenspeicherung

Januar 2007 27 Verbände lehnen in einer Gemeinsamen Erklärung vom 22.01.2007 einen Gesetzentwurf ab, nach welchem künftig Daten über jede Nutzung von Telefon, Handy, E-Mail und Internet auf Vorrat zur 'verbesserten Strafverfolgung' gesammelt werden sollen.

Der Gesetzentwurf zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung sieht vor, Telekommunikationsunternehmen ab Herbst 2007 zu verpflichten, Daten über die Kommunikation ihrer Kunden auf Vorrat zu speichern. Zur verbesserten Strafverfolgung soll nachvollziehbar werden, wer mit wem in den letzten sechs Monaten per Telefon, Handy oder E-Mail in Verbindung gestanden hat. Bei Handy-Telefonaten und SMS soll auch der jeweilige Standort des Benutzers festgehalten werden. Bis spätestens 2009 soll zudem die Nutzung des Internet nachvollziehbar werden.

Eine derart weitreichende Registrierung des Verhaltens der Menschen in Deutschland halten wir für inakzeptabel. Ohne jeden Verdacht einer Straftat sollen sensible Informationen über die sozialen Beziehungen (einschließlich Geschäftsbeziehungen), die Bewegungen und die individuelle Lebenssituation (z.B. Kontakte mit Ärzten, Rechtsanwälten, Psychologen, Beratungsstellen) von über 80 Millionen Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern gesammelt werden. Damit höhlt eine Vorratsdatenspeicherung Anwalts-, Arzt-, Seelsorge-, Beratungs- und andere Berufsgeheimnisse aus und begünstigt Wirtschaftsspionage. Sie untergräbt den Schutz journalistischer Quellen und beschädigt damit die Pressefreiheit im Kern. Die enormen Kosten einer Vorratsdatenspeicherung sind von den Telekommunikationsunternehmen zu tragen. Dies wird Preiserhöhungen nach sich ziehen, zur Einstellung von Angeboten führen und mittelbar auch die Verbraucher belasten.

Untersuchungen zeigen, dass bereits die gegenwärtig verfügbaren Kommunikationsdaten ganz regelmäßig zur effektiven Aufklärung von Straftaten ausreichen. Es ist nicht nachgewiesen, dass eine Vorratsdatenspeicherung besser vor Kriminalität schützen würde. Dagegen würde sie Millionen von Euro kosten, die Privatsphäre Unschuldiger gefährden, vertrauliche Kommunikation beeinträchtigen und den Weg in eine immer weiter reichende Massenansammlung von Informationen über die gesamte Bevölkerung ebnen.

Rechtsexperten erwarten, dass das Bundesverfassungsgericht eine Pflicht zur verdachtslosen Vorratsspeicherung von Kommunikationsdaten für verfassungswidrig erklären wird. Außerdem wird erwartet, dass die EG-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung vor dem Europäische Gerichtshof keinen Bestand haben wird. Die Richtlinie verstößt gegen die im Europarecht verankerten Grundrechte und ist in vertragsverletzender Weise zustande gekommen. Irland hat bereits Klage gegen die Richtlinie erhoben. Der Ausgang dieser Klage sollte zumindest abgewartet werden.

Als Vertreter der Bürgerinnen und Bürger, der Medien, der freien Berufe und der Wirtschaft lehnen wir das Vorhaben einer Vorratsdatenspeicherung geschlossen ab. Wir appellieren an die Politik, sich grundsätzlich von dem Vorhaben der umfassenden und verdachtsunabhängigen Speicherung von Daten zu distanzieren.

Unterzeichner:

  • Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung
  • Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V. (BDZV)
  • Chaos Computer Club e.V. (CCC)
  • Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di
  • Deutsche Liga für Menschenrechte e.V.
  • Deutsche Vereinigung für Datenschutz (DVD) e.V.
  • Deutscher Journalisten-Verband (DJV)
  • Deutscher Presserat
  • eco Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V.
  • Evangelische Konferenz für Telefonseelsorge und Offene Tür e.V.
  • Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur e.V. (FFII Deutschland)
  • Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V. (FIfF)
  • Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherung e.V. (GDD)
  • Gustav Heinemann-Initiative (GHI)
  • Humanistische Union e.V.
  • Internationale Liga für Menschenrechte (ILMR)
  • Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
  • Netzwerk Neue Medien e.V.
  • netzwerk recherche e.V.
  • Neue Richtervereinigung e.V. (NRV)
  • no abuse in internet e.V. (naiin)
  • Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen
  • Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)
  • STOP1984
  • Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ)
  • Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv)
  • Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ)

Bei Presserückfragen wenden Sie sich an: Dr. Andreas Engelmann, Bundessekretär der VDJ, Tel.: 06971163438, E-Mail: bundessekretaer@vdj.de
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