VDJ Info 13/2019 vom 26.11.2019
Der Streit um die Gemeinnützigkeit: Finanzamt Berlin entzieht der VVN-BdA die Gemeinnützigkeit
Nachdem bereits attac und jüngst campact die Gemeinnützigkeit aberkannt worden ist, zeichnet sich eine weitere Domestizierung zivilgesellschaftlichen Engagements von Vereinen bei der geplanten Änderung des Gemeinnützigkeitsrechts in der Abgabenordnung ab. So sollen nach Überlegungen des Finanzministeriums Vereine zwar "auch dann noch" steuerlich begünstigt werden, "wenn eine gemeinnützige Tätigkeit mit politischen Mitteln begleitet wird". Soweit sie jedoch auf Wirkung zielt, politische Parteien oder die staatliche Willensbildung zu beeinflussen, müsse das dabei "weit in den Hintergrund" treten.
Anders angelegt ist der Vorstoß des Finanzamtes für Köperschaften I Berlin gegen die VVN-BdA. So ist sowohl der VVN-BdA auf Bundesebene als auch dem Berliner Landesverband Anfang November 2019 die Gemeinnützigkeit entzogen worden. Das Finanzamt stützt sich bei seiner Versagung nach § 51 III S. 1 AO maßgeblich auf den Anhang des bayerischen Verfassungsschutzberichts aus 2016, in dem die VVN als linksextremistische Organisation genannt ist.
Gegen den Bescheid ist inzwischen Einspruch eingelegt und die Aussetzung der Bescheide für 2017 (Körperschafts- und Gewerbesteuer) sowie der Vorauszahlungsbescheide beantragt worden.
Auffällig ist der Wertungswiderspruch in der Entscheidungspraxis. So hat auch das Finanzamt Oberhausen-Süd im Frühjahr diesen Jahres auf Basis der gleichen Quelle dem nordrheinwestfälischen Verband der VVN-BdA und einigen eigenständigen Kreisverbänden die Gemeinnützigkeit entziehen wollen. Es hat sich hierbei allerdings auf den Volltext des Verfassungsschutzberichts mit seinen Darlegungen und Bewertungen bezogen, in dem die VVN als "linksextremistisch beeinflusste Organisation" bezeichnet wird. Nicht nur eine diffuse Qualifikation, sondern vor allem eine jeglicher Bestimmtheit mangelnde Bewertung, die keine Grundlage für eine Tatsachenfeststellung sein kann. So hat das Finanzamt Oberhausen-Süd nach dem Anhörungsverfahren mit Bescheid vom 22.10.2019 die Gemeinnützigkeit der Landesorganisation bestätigt.
Die Entscheidung des Berliner Finanzamtes ist auf schwere Kritik in Medien und Öffentlichkeit gestoßen. So hat neben der Jüdischen Gemeinde zu Berlin auch das Internationale Auschwitz-Komitee die Entscheidung angegriffen und als Skandal bezeichnet. In einem Offenen Brief schreibt Esther Bejarano an Olaf Scholz, von dem ihr das Große Bundesverdienstkreuz 2012 überreicht worden ist, u.a: " „Nie habe ich mir vorstellen können, dass die Gemeinnützigkeit unserer Arbeit angezweifelt oder uns abgesprochen werden könnte! Dass ich das heute erleben muss! Haben diejenigen schon gewonnen, die die Geschichte unseres Landes verfälschen wollen, die sie umschreiben und überschreiben wollen? Die von Gedenkstätten ,als Denkmal der Schande' sprechen und den NS-Staat und seine Mordmaschine als ,Vogelschiss in deutscher Geschichte' bezeichnen?“
Hamburg: Nein zur Verschärfung der Sicherheitsgersetze
Rund 4000 Teilnehmer*innen folgten am 15.11.2019 dem Demonstrationsaufruf des "Hamburger Bündnis gegen das neue Polizeigesetz", zu dem u.a. auch die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen gehört. Die neuen Polizei- und Verfassungsschutzgesetze sehen u.a. die Einführung von elektronischen Fußfesseln schon bei geringen Straftaten, automatisierte Datenanalyse zur Persönlichkeitsanalyse, die Möglichkeit von anlasslosen gezielten Kontrollen Einzelner, Quellen-TKÜ und die umfangreiche Ausweitung der Speicherfristen in Polizeidatenbanken vor. Gleichzeitig sollen die Kontrollmöglichkeiten des Hamburgischen Beauftragen für den Datenschutz und die Informationsfreiheit eingeschränkt werden.
Petition: Klare Kante gegen Erdogans Angriffskrieg!
In einem Offenen Brief an die Bundesregierung, der als Petition auf Change.org unterstützt werden kann, fordern die Initiator*innen "Klare Kante gegen Erdogans Angriffskrieg jetzt!
Gefordert wird u. a. "ein sofortiges und vollumfängliches Waffenembargo gegen die Türkei. Hermes-Bürgschaften für Türkei-Investitionen deutscher Unternehmen müssen eingefroren werden. Gegen die türkische Staatsführung müssen Sanktionen ergriffen werden. Wir erwarten zudem von der Bundesregierung, dass sie ihre Teilnahme an dem Syrien-Gipfel, zu dem die Türkei am Rande der NATO-Tagung am 3. und 4. Dezember in Großbritannien einlädt, absagt. Die Bundesregierung muss klipp und klar erklären, dass es von deutscher Seite keinerlei politische oder finanzielle Unterstützung für die türkischen Besatzungs-, Vertreibungs- und Umsiedlungspläne bezüglich Nordsyrien geben wird."
Mitgliederbefragung
Inzwischen ist die Mitgliederbefragung der VDJ ausgewertet. Um möglichst alle Kolleg*innen über Vorschläge, Ideen, Anmerkungen und Kritik zu informieren, werden wir das Ergebnis dem Rundschreiben zum Jahresende beipacken. Seid/ Seien Sie also gespannt auf die eine oder andere Überraschung.
Termine - Veranstaltungen
• Frankfurt/ M.: Buchvorstellung am 27.11.2019, 18.15 Uhr: Inge Deutschkron: Auschwitz war nur ein Wort. Berichte über den Frankfurter Auschwitz-Prozess 1963-1965. Ein Vortrag von Dr. Beate Kosmala. Ort: Goethe-Universität Frankfurt am Main, Campus Westend, Norbert-Wollheim-Platz 1, Casino-Gebäude, Raum 1.801
• Berlin: Symposium am 29.11.2019, 14.00 Uhr: "Koloniales Erbe V: Das Beispiel Namibia" in der Akademie der Wissenschaften Berlin, Pariser Platz 4, 10117 Berlin. Veranstalter: ECCHR und Akademie der Wissenschaften in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung.
• Düsseldorf: Informationsveranstaltung am 19.12.2019 von 19.00 - 21.30 Uhr - "Algerien aktuell: Der Weg zu mehr Demokratie und Stärkung der Menschen- und Frauenrechte" mit Rechtsanwältin Beya MERAD aus Algerien im Zakk, Fichtenstr. 40, 40233 Düsseldorf. Veranstalter: Vereinigung Demokratische Juristinnen und Juristen, Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW und Rosa-Luxemburg-Club Düsseldorf.