VDJ Info 2/2023 vom 06.02.2023

VDJ Info 2/2023 vom 06.02.2023

Heinrich Hannover ist gestorben

Am 14.01.2023 ist der Strafverteidiger und Litten-Preisträger, Dr. Dr. hc Heinrich Hannover, im Alter von 97 Jahren in Worpswede gestorben. Hannover war einer der bedeutendsten deutschen Strafverteidiger und publizierte umfassend zu seiner forensischen Arbeit und zur politischen Justiz in der Bundesrepublik. Die zwei Bände "Die Republik vor Gericht" geben einen beeindruckenden und bleibenden Einblick in das Innenleben politischer Prozesse. Neben der Strafverteidigung lag ein Schwerpunkt seiner Arbeit in der Vertretung von Wehrdienstverweigerern. Hannover zeichnete sich nicht nur in der Arbeit als Rechtsanwalt und Strafverteidiger aus, sondern auch als hörbarer Verteidiger von Frieden, Demokratie und Rechtsstaat. Sein Engagement für politisch Verfolgte brachte ihm von der konservativen Presse Schmähungen und sogar Morddrohungen ein. Er hat seine Haltung gleichwohl nie aufgegeben. Seine Blick und seine Hoffnung waren in die Zukunft gerichtet. So schrieb er 1999 in der taz: "Denn die nächste Generation wird doch wohl endlich vom Kapitalismus die Nase voll haben." Möge er damit recht behalten. Die VDJ verliert in ihm einen bedeutenden Mitstreiter. Heinrich Hannover war langjähriges Mitglied der Vereinigung.

Heinrich Hannover (1925-2023) von Norman Paech

Ein Nachruf auf Heinrich Hannover von Prof. Dr. Norman Paech findet sich im Ossietzky und auf der Seite der VDJ. Paech spürt in dem Nachruf dem ungewöhnlichen und keineswegs vorgezeichneten Lebensweg Hannovers nach, der als junger Wehrmachtssoldat vom Weltkrieg zum Pazisfismus erzogen von einem aussichtsreichen Immobilienanwalt zum Strafverteidiger für Kommunist*innen und anderen in der Bundesrepublik politisch Verfolgte und Geächtete wurde. Paech geht auf die umfangreiche publizistische Arbeit Hannovers ein und würdigt Hannover, den Hans-Litten-Preisträger der VDJ, als einen von nur drei bedeutenden Strafverteidigern Deutschland - neben Karl Liebknecht und Hans Litten selbst. Für Hannover, der sich nicht an herrschende Freund/Feind-Unterscheidungen gehalten habe, sei die Ehrendoktorwürde der Humboldt-Universität die bedeutendste Auszeichnung seines Lebens geblieben. In Erinnerung bleibe Paech aber vor allem das herzliche Lachen Hannovers beim Kartenspiel. Der Nachruf findet sich hier.

Weitere lesenswerte Nachrufe: In Unsere Zeit hat Rechtsanwalt Ralph Dobrawa einen Nachruf unter dem Titel "Mutiger Anwalt" verfasst, der sich hier findet. Radio Bremen widmete Heinrich Hannover einen Kurzbeitrag mit dem Titel "Deshalb war Heinrich Hannover der Anwalt der Linken", der hier zu finden ist.

Anmeldung eröffnet: Frühjahrstagung des Arbeitskreis Arbeitsrecht am 18.03.2023 in Frankfurt

Die Anmeldung für die Frühjahrstagung des Arbeitskreis Arbeitsrecht ist eröffnet. Termin ist der 18.03.2023 von 10.30 Uhr-16.00 Uhr im House of Labour, Eschersheimer Landstr. 155 - 157 in 60323 Frankfurt/Main. Auf dem Programm steht: I. "(Nichts?) Neues zur betrieblichen Mitbestimmung vom Bundesarbeitsgericht" mit Kristina Schmidt, seit 2009 Richterin am Bundesarbeitsgericht und seit 2021 Vors. Richterin am 7. Senat des BAG. II. Arbeitsschutz, Arbeitszeit und Arbeitszeiterfassung - insbesondere nach den Entscheidungen von EuGH und BAG mit Prof. Dr. Daniel Ulber, Professor für Bürgerliches Recht, Unternehmensrecht und Arbeitsrecht" an der Universität Halle-Wittenberg. Die Tagung wird moderiert von Dr. Sandra Carlson, Nils Kummert und Jens Peter Hjort.

Für Fachanwälte/innen kann gemäß § 15 FAO ein Teilnahmenachweis für 5 Stunden erstellt werden. Der Tagungsbeitrag beträgt EUR 150,00 sowie EUR 50,00 für Studierende, Referendare/innen, Rechtsanwälte/innen / Rechtssekretäre/innen in den ersten zwei Jahren nach Berufsbeginn sowie Berufsaussteiger (Rentner u. Pensionäre ohne zusätzliches Erwerbseinkommen). Catering und Tagungsgetränke sind im Preis inbegriffen. Der Beitrag ist vorab zu entrichten auf das Konto bei der Hamburger Sparkasse IBAN: DE14200505501152805204; BIC: HASPDEHHXXX. Eine vorherige Anmeldung an die E-Mail-Anschrift AKArbR@arbeitsrechtsanwaelte-hamburg.de ist erforderlich.

Weitere Informationen zu Vorträgen, Referent*innen und Organisation finden sich hier.

Bündnis für Versammlungsfreiheit NRW hat Verfassungsbeschwerde beim Landesverfassungsgerichtshof NRW eingelegt

Am 04.01.2023 hat das Bündnis für Versammlungsfreiheit NRW Verfassungsbeschwerde gegen das neue Versammlungsgesetz des Landes beim Landesverfassungsgerichtshof eingelegt. Die strafbewehrten Regelungen zum Störungsverbot, zum Vermummungsverbot sowie zum Militanzverbot sind nach Auffassung des Bündnisses und ihres Rechtsbeistands, Prof. Dr. Tristan Barczak, zu weitreichend und zu unbestimmt, sodass Protestierende nicht mit ausreichender Sicherheit sagen können, wann und wodurch sie sich strafbar machen. Daneben weitet das Gesetz die Befugnis zur staatlichen Videoüberwachung zu stark aus. Dass BVerfG hat bereits festgestellt, dass der Einsatz von Videoüberwachung grundsätzlich eine einschüchternde Wirkung ausüben und von der Teilnahme an Protesten abschrecken kann. Der extensive Einsatz von Überwachungstechnik verstößt damit gegen die Versammlungsfreiheit. Dasselbe gilt für das bundesweit einmalige Verbot von Versammlungen auf Bundesautobahnen. Es nimmt einen Teil des öffentlichen Raumes ohne Prüfung im Einzelfall von der Versammlungsfreiheit aus. Die Erhebung der Verfassungsbeschwerde, die von der VDJ unterstützt wird, fand ein breites Medienecho, unter anderem berichteten Tagesschau und Zeit. Ein lesenswerter Bericht findet sich auch in der jungen Welt.

Es gibt nur eine Menschenwürde – Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen!

In einer gemeinsamen Erklärung vom 02.01.2023 fordern 62 bürgerrechtliche und zivilgesellschaftliche Organisationen die Abschaffung der Sonderregeln des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG). In diese Gesetz werden die Leistungen für Menschen während des Asylverfahrens auf einem Niveau festgelegt, das noch deutlich unterhalb der Grundsicherung liegt. Unter Verweis auf den Zweck der Grundsicherung, das aus der Menschenwürde abgeleitete Existenzminimum sicherzustellen, machen die unterzeichnenden Organisationen geltend, dass es unter der Geltung des Grundgesetzes keine doppelten Maßstäbe für die Garantie der Menschenwürde geben dürfe. Ihre Forderung lautet, den Betroffenen dasselbe Existenzminimum zu gewähren und sie in das allgemeine Grundsicherungsrecht einzugliedern. Die vollständige Erklärung kann hier nachgelesen werden.

Tag der bedrohten Rechtsanwält*in am 24.01.2023 vor dem Auswärtigen Amt - Beobachtungsland Afghanistan

Am 24.01.23 fand der jährliche, weltweit koordinierte Day of the endangered lawyer (Tag des bedrohten Anwalts und der bedrohten Anwältin) statt. Zielland war in diesem Jahr Afghanistan und die Situation der Anwält*innen unter der Herrschaft der Taliban. In Deutschland versammelte sich eine Delegation von Jurist*innen um 15:30h zu einer Kundgebung vor dem Auswärtigen Amt, zu der unter anderem die Rechtsanwaltskammer Berlin, die Vereinigung Berliner Strafverteidiger*innen, die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ) und die Europäischen Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte (EJDM) und der Republikanische Anwältinnen‐ und Anwälteverein (RAV) aufgerufen hatten. Ihre Forderung richtete sich dieses Jahr nicht gegen die Regierung im Beobachtungsland, das Taliban-Regime. Vielmehr sollte mit der Kundgebung die Bundesregierung zum Handeln bewegt werden. Dr. Peer Stolle, Bundesvorsitzender des RAV, erklärte: »Wenn die Bundesregierung tatsächlich eine konsequente Menschenrechtspolitik verfolgen will, so muss schnellstmöglich und unbürokratisch dafür gesorgt werden, dass die betroffenen Kolleginnen und Kollegen nach Deutschland einreisen und hier einen Aufenthalt bekommen können«. Dem wachsenden Bedürfnis nach schneller und unbürokratischer Hilfe für verfolgte Kolleg*innen steht weiterhin die nahezu vollständige Untätigkeit des Auswärtigen Amts unter Außenministerin Annalena Baerbock gegenüber.

Rechtsprechungsüberblick

BVerfG zu polizeilichen Befugnisse nach dem Sicherheits- und Ordnungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern. Mit Beschluss vom 09.12.2022 hat der Erste Senat des BVerfG mehrere Vorschriften des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (Sicherheits- und Ordnungsgesetz – SOG MV) für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt. Die Anforderungen der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne an heimliche Überwachungsmaßnahmen der Polizei werden zumindest nicht vollständig eingehalten. Auch beim Einsatz verdeckter Ermittler und der heimlichen Wohnraumbetretung sah das Gericht verfassungsrechtlich unzureichende Vorschriften. Verletzt seien das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Schutz der informationellen Selbstbestimmung und in seiner Ausprägung als Schutz der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, das Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) sowie die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG). Die Pressemitteilung des Gerichts findet sich hier.

BVerfG zur Anhebung der „absoluten Obergrenze“ für die staatliche Parteienfinanzierung. Mit Urteil vom 24.01.2023 hat der Zweite Senat des BVerfG (Az. 2 BvF 2/18) entschieden, dass die noch vom letzten Bundestag beschlossene Anhebung der absoluten Obergrenze für die staatliche Parteienfinanzierung mit dem Grundgesetz unvereinbar ist. Sie verstoße gegen den Grundsatz der Staatsfreiheit der Parteien. Der Gesetzgeber habe nicht ausreichend dargelegt, dass der zusätzliche, aus eigenen Mitteln nicht aufzubringende Finanzbedarf der politischen Parteien eine Anhebung der staatlichen Parteienfinanzierung um knapp 25 Millionen Euro erfordere. Die Pressemitteilung des Gerichts findet sich hier.

Lesenswertes

Nicht nur in Deutschland stehen Arbeitskämpfe unter Druck. Viele erinnern sich an die Bilder aus dem vergangen Juli von streikenden Hafenarbeitern in Hamburg, die von der Polizei angegriffen wurden. Peter Kern berichtet nun in der "Gegenblende" vom Versuch der konservativen britischen Regierung, die seit Monaten wachsende Streikbewegung durch eine weitgehende Einschränkung des Streikrechts zu brechen. Gewerkschaften sollen nach den Plänen der "Tories" gezwungen werden können, einen Teil der Streikenden zur Arbeit abzustellen, um sog. Basisfunktionen der öffentlichen Fürsorge sicherzustellen. Diese Basisfunktionen gehen über die bereits üblichen Notfallpläne hinaus und zielen darauf dem Kampf der Gewerkschaften den Zahn zu ziehen. In der Konsequenz können sie dazu führen, dass streikwillige Beschäftigte zur Arbeit gezwungen werden. Der interessante Bericht über die Lage im Vereinigten Königreich findet sich hier.

Weitere Termine

Am 18.03.2023 findet die Frühjahrstagung des Arbeitskreis Arbeitsrecht statt von 10.30 Uhr-16.00 Uhr im House of Labour, Eschersheimer Landstr. 155 - 157 in 60323 Frankfurt/Main statt. Die Vors. Richterin am BAG, Kristina Schmidt, referiert zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur betrieblichen Mitbestimmung. Außerdem wird Prof. Dr. Daniel Ulber von der Universität Halle einen Vortrag zum Thema Arbeitsschutz, Arbeitszeit und Arbeitszeiterfassung halten. Alle Infos und Anmeldung unter dem Link hier.

Das Jahresprogramm des Arbeitskreis Familienrecht/Sozialpolitik steht bereits fest. Die Termine sind jeweils von 11-16 Uhr im Ökohaus in Frankfurt/M.

Am 17.06.2023 hält der vors. Richter am OLG Frankfurt Werner Schwamb a. D. einen Vortrag mitdem Thema: Aktuelles aus dem Unterhaltsrecht, insbesondere beim Ehegatten- und Kindesunterhalt.  

Am 15.07.2023 hält der Rechtsanwalt Jörn Hauß aus Duisburg einen Onlinevortrag zu dem Thema: Bewertungen im Zugewinn- und Versorgungsausgleich unter Berücksichtigung aktueller Entwicklungen.

Am 14.10.2023 hält der Notar Dr. Reetz aus Köln einen Vortrag zu dem Thema: Scheidungsfolgenregelungenmit den Bereichen Unterhalt, Zugewinn- und Versorgungsausgleich, sowie Vermögensauseinandersetzung.

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