VDJ Info 04/2020 vom 09.03.2020

Bewegte Zeiten

Damm- und Tabubrüche haben seit geraumer Zeit Konjunktur. Eine neue Qualität haben sie aber dadurch erhalten, dass sie politisch weit in die sog.bürgerliche Mitte reichen und die demokratischen Institutionen angreifen, wie die Wahl des Ministerpräsidenten in Thüringen im Februar 2020 gezeigt hat. Ebenso dominierte bis zu den rechtsterroristischen rassistischen Anschlägen in Halle und Hanau allgemeine Betroffenheitsrhetorik ohne eindeutige politische Ortung, die erst langsam Platz greift. Wenn die Kommissionspräsidentin der EU von der Leyen im Beethovenjahr bei ihrem Blitzbesuch, Griechenland als "Schutzschild der EU" lobt, billigt sie ausdrücklich den  Verstoß gegen europäisches Recht, bei dem der Zugang zu einem geordneten Asylverfahren verweigert wird und rechtfertigt vor allem das Versäumnis, ein funktionierendes System gegenseitiger Solidarität zur Aufnahme der Flüchtlinge in Europa  zu schaffen.

Insoweit einige Nachträge von Aktionen, an denen sich die VDJ beteiligt hat.

Erklärungen zu Griechenland und Türkei: Wir werden nicht Teil dieser Verbrechen sein

In der gemeinsamen Erklärung von Jurist*innenvereinigungen und Nichtregierungsorganisationen "Wir werden nicht Teil dieser Verbrechen sein", die u. a. von der VDJ und EJDM unterzeichnet worden ist, fordern die Unterzeichner*innen Griechenland u. a. auf, die Grenzen für Flüchtlinge zu öffnen, den Mechanismus der Umsiedlung - das "Take Charge"-System der Dublin III Verordnung - zu aktivieren, Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Flüchtlinge, die den Grenzübertritt betreffen, einzustellen, internationales und europäisches Recht und die Menschenrechts-Charta zu respektieren und die unrechtmäßigen Vereinbarung zwischen der EU und der Türkei sofort aufzuheben.

In einer weiteren Gemeinsamen Erklärung einer Vielzahl von Jurist*innenvereinigungen zur Lage der Flüchtlinge in Griechenland, unter ihnen auch die EJDM, drängen die Unterzeichner auf eine Revidierung der bisherigen Asylpraxis und Anerkennung der humanitären Verpflichtungen aus europäischem und internationalem Recht, insbesondere den Zugang zum Asylverfahren zu garantieren und geeignete Sofortmaßnahmen zur Neuansiedlung und Umsiedlung von Flüchtlingen zu ergreifen.

Ebenso hat Pro Asyl die strikte Einhaltung der asylrechtlichen Verpflichtungen verlangt - "Die griechisch-türkische Grenze darf nicht zur menschenrechtsfreien Zone werden" und hat als Sofortmaßnahmen die Evakuierung der Flüchtlinge von den griechischen Inseln ans Festland verlangt, die Organisierung der Übernahme von Flüchtlingen nach Deutschland und anderen aufnahmebereiten europäischen Ländern und keine Zurückweisung von Flüchtlingen an den europäischen Grenzen sowie Zugang zu rechtsstaatlichen Asylverfahren.

18.000 demonstrierten in Erfurt: Kein Pakt mit Faschist*innen niemals und nirgendwo

Nach der Auftaktkundgebung des Bündnisses #unteilbar auf dem Domplatz am 15.02.2020 demonstrierten 18.000 Teilnehmer*innen aus dem gesamten Bundesgebiet durch die Erfurter Innenstadt unter der Losung #NICHT MIT UNS - KEIN PAKT MIT FASCHIST*INNEN NIEMALS UND NIRGENDWO! An der Demonstration beteiligte sich auch die VDJ. Auf die Frage des MDR Thüringen, warum die VDJ mitdemonstriere, erklärte Bundesgeschäftsführerin Ursula Mende, dass es als demokratische Jurist*innenvereinigung  selbstverständlich und auch von Verfassungs wegen Auftrag sei, überall dort, wo sich wieder faschistische Tendenzen zeigen, klare Kante zu zeigen.

Hanau: Rassimus tötet - Rassismus spaltet

In einer Erklärung zu den rassistischen Attentaten in Hanau hob der Bundesvorsitzende Joachim Kerth-Zelter hervor, dass Täter, wie der aus Hanau nicht aus dem Nichts kommen: "Dieser Rassist hat sich bereits zuvor entsprechend geäußert, weshalb es umso unverständlicher ist, dass weder staatliche Akteure noch das Umfeld des Täters sich zum Handeln veranlasst gesehen und aufgestanden sind. Wie konnte es sein, dass ein solcher Mensch weiterhin legalen Zugang zu Waffen hatte und niemand erkannte, welche Gefahr hier drohte? Vorrangiges Ziel sowohl staatlichen und zivilgesellschaftlichen Handelns muss deshalb sein, der Spaltung unserer Gesellschaft entgegenzutreten und den Rassismus in all seinen Formen mit Entschiedenheit zu bekämpfen. Nur so lässt sich die Offenheit unserer demokratischen Gesellschaft erhalten".

An der Demonstration in Hanau initiiert von "We'll Come Untited" und „Solidarität statt Spaltung“ am 22.02.2020 haben auch Mitglieder der VDJ teilgenommen.

HU begrüßt die Aufhebung des strafrechtlichen Verbots der Sterbehilfe durch das BVerfG

In einer Stellungnahme zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26.02.2020 - 2 BvR 2347/15 u. a. - zur Aufhebung des Verbots der geschäftsmäßigen Förderung der Sterbehilfe unterstreicht die Humanistische Union den Grundsatzcharakter der Entscheidung: Es schreibe verfassungsrechtlich verbindlich den Grundsatz der Selbstbestimmung beim Sterben fest. Alle Organe des Staats und alle Fachgerichte, aber auch der Gesetzgeber, seien an diese Auffassung künftig gebunden. Klargestellt sei insbesondere, dass dieses Recht nicht auf bestimmte Lebens- oder Krankheitsphasen beschränkt sei, sondern „in jeder Lebensphase“ existiere und dass dabei die Hilfe Dritter in Anspruch genommen werden dürfe. Damit würden zum einen die individuellen Maßstäbe und Vorstellungen Sterbender abgesichert und Fremdvorstellungen jeder Art, ob religiös oder paternalistisch, zurückgewiesen. Zum anderen werde die Hilfe beim Sterben weder auf Ärzte noch auf Sterbehilfe-Vereine beschränkt, solange sie von der Selbstbestimmung der Sterbenden ausgehe und diese nicht einschränke oder gar gefährde.

BVerfG: Kopftuchverbot für Rechtsreferedarinnen verfassungsgemäß

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 14.01.2020  - 2 BvR1333/17 -  die Verfassungsbeschwerde einer hessischen Rechtsreferendarin gegen das Verbot, bei bestimmten dienstlichen Tätigkeiten ein Kopftuch zu tragen, zurückgewiesen. Danach ist die Entscheidung des Gesetzgebers für eine Pflicht, sich im Rechtsreferendariat in weltanschaulich-religiöser Hinsicht neutral zu verhalten, aus verfassungsrechtlicher Sicht zu respektieren. Zwar stellt diese Pflicht einen Eingriff in die Glaubensfreiheit und weitere Grundrechte der Beschwerdeführerin dar. Dieser ist aber gerechtfertigt. Als rechtfertigende Verfassungsgüter kommen die Grundsätze der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates und der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege sowie die negative Religionsfreiheit Dritter in Betracht. Hier kommt keiner der kollidierenden Rechtspositionen ein derart überwiegendes Gewicht zu, das dazu zwänge, der Beschwerdeführerin das Tragen religiöser Symbole im Gerichtssaal zu verbieten oder zu erlauben.

VG Gelsenkirchen: Polizeiliches Aufenthaltsverbot für den Bereich des Kraftwerk IV in Datteln ist rechtswiderig

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat mit Eilbeschlüssen vom 14.02.2020 - 17 L 185/20 und 17 L 186/20 - auf Antrag zweier Theologen das gegen diese vom Polizeipräsidium Recklinghausen verfügte dreimonatige Aufenthalts- und Betretungsverbot für den Bereich und das Umfeld des Kraftwerks Datteln IV für rechtswidrig bewertet und die Vollziehung des Verbotes ausgesetzt. Die Antragsteller dürfen damit am 16. Februar 2020 wie geplant an einer Kundgebung vor dem Haupteingang des Kraftwerks teilnehmen.

Allianz Rechtssicherheit: Erlass der Finanzminster*innen von Bund und Ländern soll Wirkungen des Attac-Urteils mildern

Die Finanzminister*innen von Bund und Ländern haben sich auf einen Erlass geeinigt, um die in diesem Jahr befürchteten hunderten Aberkennungen der Gemeinnützigkeit in Folge des Attac-Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) zunächst zu vermeiden. Das berichtete die Tageszeitung „taz“ am Freitag, 28. Februar 2020. Der Erlass soll eine Atempause verschaffen, um das Gesetz anzupassen. Das Bundesfinanzministerium ist mit der Initiative unter anderem einer Anregung der Allianz Rechtssicherheit nachgekommen. Die Allianz beschreibt den Geltungsbereich, die möglichen Auswirkungen und die Motivation für den noch nicht veröffentlichten Erlass.

Arbeitshilfe: Besser zusammen - Schnittstellen zwischen sozialarbeiterischer und anwaltlicher Tätigkeit

DRK-Bundesverband und der DRK-Landesverband West-falen-Lippe haben Empfehlungen für eine gelingende Kooperation in der der Beratung von Geflüchteten zusammengestellt, bei der die Frage nach dem bestmöglichen Zusammenwirken zwischen                     sozialarbeiterischer und anwaltlicher Tätigkeit im Sinne ratsuchender Geflüchteter gestellt und praxisnah aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet wird.  

Spendenaufruf für #unteilbar - Demo #nicht mit uns

Protest ist nicht umsonst – in keiner Hinsicht.

Die Demo #nichtmituns am 15.2.2020 in Erfurt ist noch nicht vollständig finanziert - mit einer Spende kann ein Beitrag dazu geleistet werden.

Die VDJ schließt sich dem Spendenaufruf an und bittet darum, das Bündnis #unteilbar finanziell entweder durch online-Spende oder Direktüberweisung zu unterstützen.

Termine - Veranstaltungen

Unsere Fortbildungsveranstaltungen

Frühjahrstagung des AK Arbeitsrecht am Sa, 28.03.2020 in Frankfurt/ Main mit den Themen: 1. Aktuelle Rechtsprechung zum Arbeits- und Gesundheitsschutz nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG (Referent: Rechtsanwalt Dieter Hummel, FAArbR) 2. Die Transformation der Arbeitswelt tariflich (mit)gestalten - Möglichkeiten, Grenzen und Ansätze zur Weiterentwicklung tariflicher Regelbarkeit (Referentin: Sibylle Wankel, Justitiarin beim Hauptvorstand der IG Metall)

Tagung des AK Familienrecht und Sozialpolitik  am Sa, 25.04.2020 in Frankfurt/ Main zu Aktuelle Probleme des Kindschaftsrechts (Referentin: Yvonne Gottschalk (RiOLG Frankfurt)

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