VDJ Info 5/2024 vom 16.05.2024

Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit

In einer Boulevardzeitung mit Name und Berufsbezeichung abgebildet und dem Vorwurf der "Unterstützung von Terror und Antisemitismus" ausgesetzt, fanden sich Ende letzter Woche Wissenschaftler*innen, die sich zuvor in einem offenen Brief gegen die polizeiliche Räumung eines Protestcamps auf dem Campus der Freien Universität Berlin gewendet haben. Angestachelt wurde die Kampagne durch einen Tweet von Wissenschaftsministerin Stark-Watzinger, die den mittlerweile weit über 1.000 unterzeichnenden Wissenschaftler*innen vorgeworfen hatte, mit Israelhass und Antisemitismus zu sympathisieren. Die VDJ sieht in diesem Vorgehen einen Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit und die Institution der Universität als Raum für einen offenen und vertrauensvollen Diskurs. In einer Stellungnahme verurteilt sie das Vorgehen von Stark-Watzinger, die mediale Hetze sowie die Brutalität der polizeilichen Räumung. Der Text ist leicht gekürzt in der jungen Welt abgedruckt und von Prof. Bill Bowring ins Englische übersetzt worden. Er findet sich vollständig unter dem nachfolgenden Link. Link zur Stwellungnahme­­

Grundrechte-Report im Livestream!

Am Mittwoch, den 22.05.2024, wird der Grundrechte-Report 2024 von dem ehemaligen Bundesminister des Inneren, Gerhart Baum, in Berlin vorgestellt. Der Report thematisiert Angriffe auf die Versammlungs- und Äußerungsfreiheit, die Gefährdung sozialer Grundrechte und legt einen Schwerpunkt auf die Aushöhlung des Asylsystems und die Gefahren durch den Aufstieg radikaler Rechtsparteien für die Demokratie. Zu Wort kommen auch Betroffene von Grundrechtsverletzungen. Stefanie Tiepelmann-Halm berichtet als Leiterin eines interkulturellen Cafés in Nordhausen, Thüringen über die Wirkung des Aufstiegs der AfD und die Normalisierung von Hass im Alltag und Hedi Tounsi, Mitarbeiter und Vertrauensmann bei Amazon, spricht über die Dauerüberwachung in dem Versandlager in Winsen. Die Pressekonferenz beginnt dieses Jahr um 11 Uhr und kann von Grundrechtsinteressierten im Livestream verfolgt werden. Für die Presse besteht die Möglichkeit der Teilnahme vor Ort oder in einer Videokonferenz, wo Nachfragen an die Teilnehmenden gestellt werden können. Eine Anmeldung für die Presse ist hier möglich, der allgemeine Videostream findet sich unter dem nachfolgenden Link. Link zum Stream ­­

Gefängnisstrafe fürs Busfahren

Für die jungle world hat Guido Sprügel das lesenswerte Porträt einer Schwarzfahrerin geschrieben. Anhand ihres Berliner Falls schildet er die Gründe, die Zeit und die Folgen der Haft und zeigt dabei ein im Grunde unerklärliches Systems, in dem mit den Kanonen staatlicher Repressalien auf Spatzen geschossen wird. Der Beitrag greift auch die rechtspolitische Diskussion um die Entkriminalisierung von § 265a StGB ("Erschleichen von Leistungen") auf, die noch im letzten Jahr auf der Tagesordnung des Bundesjustizministeriums stand. Neben Betroffenen und Expert*innen äußert sich in dem Beitrag auch die VDJ kritisch zur Strafbarkeit nach § 265a StGB und fordert eine Entkriminalisierung. Link zum Artikel ­­

Fortbildung für Fachanwält*innen

Angebote zur Fachanwaltsfortbildung gibt es im Arbeitsrecht bereits zuhauf. Eine dezidierte Perspektive auf die Beratung von Arbeitnehmer*innen und ihren Interessenvertretungen ist bisher jedoch nicht ausreichend vertreten. Zusammen mit ver.di bildung und beratung startet die VDJ deshalb ein Fortbildungsprogramm zu typischen Beratungsthemen für Anwält*innen auf Arbeitnehmendenseite. Das Angebot beginnt Ende Mai in Hamburg mit einer Schulungsverstaltung zu "Betriebsänderung, Sozialplan und Interessensausgleich". Weitere Angebote umfassen den Arbeits- und Gesundheitsschutz aus Beschäftigtenperspektive oder das Thema Aufhebungsvertrag. Das Programm, das kontinuerlich wächst, findet sich mit allen Terminen immer aktuell unter dem nachfolgenden Link! Link zum Programm ­­

Demokratischer Ratschlag in Bonn

Am Vorabend des großen Grundgesetzfesttags, am 22.05.2025, veranstaltet ein Bündnis aus Initiativen gegen Berufsverbote und zur Verteidigung der Demokratie in Bonn-Beuel ab 18 Uhr einen Demokratischen Ratschlag zu 75 Jahren Grundgesetz - 75 Jahre Angriffe auf Rechte und Freiheiten. Die Informations- und Diskussionsveranstaltung wird sich um die Frage drehen, wie demokratische Grundrechte geschützt und erweitert werden können. Es diskutieren unter anderem der Historiker Josef Foschepoth, die GEW-Vorsitzende Maike Finnen, der Publizist und Litten-Preisträger Rolf Gössner und auch der Ko-Vorsitzende der VDJ Joachim Kerth-Zelter. Die spannende Veranstaltung steht allen Interessierten offen. Link zur Veranstaltung­­

Neues Sozialportal eröffnet

Unter Federführung des Erwerbslosen- und Sozialhilfevereins Tacheles e.V. entsteht ein neues Portal, das es Menschen, die Hilfe benötigen, ermöglichen soll, die für ihre Problemsituation passende Beratungsstelle, Rechtsanwält*in, Selbsthilfeinitiative oder sonstigen Support zu finden. Das Portal soll zur Rechtsmobilisierung beitragen und Hilfebedürftigen bei der Verwirklichung ihrer sozialstaatlichen Rechte unterstützen. Dafür ist es darauf angewiesen, dass sich Trägerstellen und interessierte Rechtsanwält*innen auf dem Portal eintragen. Die Konditionen finden sich unter dem nachfolgenden Link: https://sozialportal.net/

Rechtsprechungsübersicht

(1) Das Verwaltungsgericht Bremen hat mit Beschluss vom 19.04.2024 festgestellt, dass die Parole "From the River to the Sea" ein zulässiger Ausdruck der Meinungsfreiheit ist und bei der gebotenen meinungsfreundlichen Auslegung darin weder ein Aufruf zu Gewalt noch eine Billigung der Straftaten der Hamas zum Ausdruck kommt (5 V 949/24). Eine Auflage gegenüber einer Versammlung, die den Satz verbiete, sei deshalb auch bei summarischer Prüfung nicht zulässig und unwirksam. Das Oberverwaltungsgericht hat die Entscheidung aufgehoben, weil sich im Rahmen einer nur summarischen Prüfung nicht ermitteln lasse, ob der Satz - der ansonsten nicht strafbar sei - als Kennzeichen der in Deutschland als Terrororganisation geltenden Hamas eingeordnet werden müsse.

(2) Dass Grenzkontrollen zwischen Deutschand und Österreich gegen Unionsrecht verstoßen, hatte der EuGH bereits mit Entscheidung vom 26.04.2022 (C-368/20) festgestellt. Das Verwaltungsgericht München hat in einem nicht tragenden Teil seines Urteils vom 31.01.2024 (M 24 K 22. 3422) dargelegt, dass die weiterhin stattfindenden Kontrollen gegen den Schengener Grenzkodex (SGK) verstoßen, weil die zeitliche Befristung für die Zulässigkeit der Kontrollen lange überschritten sei. Damit stellt das Gericht fest, dass die deutsche Bundespolizei grenzüberschreitende Personen seit Jahren offensichtlich rechtswidrigen Polizeimaßnahmen aussetzt, zum Beispiel, wenn sie alle Reisenden eines Zuges für bis zu einer Stunde einsperrt.

(3) In einem unter anderem vom ECCHR geführten Verfahren zum Stopp von deutschen Waffenlieferungen nach Israel hat das Verwaltungsgericht Berlin am 26. April 2024 eine Zwischenverfügung erlassen und die Bundesregierung aufgefordert, bis zum 15. Mai 2024 darzulegen, "auf welche Weise" sie "im Fall künftiger unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallender Waffenlieferungen nach Israel... sicherzustellen beabsichtigt, dass die Erteilung der Genehmigung keine völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik verletzen" (VG  4 L 44/24). Damit ist das Gericht in die inhaltliche Prüfung des Kriegswaffenkontrollgesetzes eingestiegen, das nach § 6 Abs. 3 Nr. 2 die Genehmigung von Exporten u.a. für den Fall verbietet, dass "Grund zu der Annahme besteht, dass die Erteilung der Genehmigung völkerrechtliche Verpflichtungen der Bundesrepublik verletzen oder deren Erfüllung gefährden würde". Weitere Informationen finden sich hier.

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Termine

  • Zum Thema "Rechtsstaat und Parteiverbote" findet am 29.05.2024 ein offener Stammtisch in Frankfurt am Main statt. Zu Gast sind Prof. Dr. Maximilian Pichl und Prof. Dr. Günter Frankenberg. Alle Infos finden sich hier.
  • Die VDJ bietet ein umfassendes Angebot für Fortbildungen im Familienrecht. Die beliebten Angebote des Arbeitskreis Familienrecht können hier nachgelesen werden.
  • Die Verleihung des Hans-Litten-Preises für das herausragende Engement für das Recht findet in diesem Jahr am 13.09.2024 in Berlin statt. Weitere Informationen folgen bald!
  • Die Mitgliederversammlung der VDJ mit Verbandswahlen und Workshops zum Thema "Soziale Grundrechte nach 75. Jahren Grundgesetz" findet am 14.09.2024 ebenfalls in Berlin statt. Die Termine können bereits vorgemerkt werden!
  • Auch der Termin für die Herbsttagung des Arbeitskreises Arbeitsrecht steht bereits: Am 26.10.2024 im Hochhaus der IG Metall in Frankfurt/M.

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