VDJ Info 05/2018 vom 24.03.2018

VDJ Berlin-Brandenburg: Volksbegehren "Videoüberwachung" zielt auf ungebremste und uferlose Ton- und Videoüberwachung!

Der Gesetzesentwurf des Berliner "Aktionsbündnis für mehr Videoaufklärung und Datenschutz" ist verfassungswidrig. Die Bürgerinnen und Bürger können nicht mehr sicher sein, dass der Staat sie im öffentlichen Raum nicht abhört.

Die Regionalgruppe Berlin-Brandenburg der VDJ stellt in einer Erklärung vom 21.03.2018 fest, dass durch den Gesetzesentwurf dem Grundrechtsschutz des Einzelnen und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip durch die weitreichende Überwachung aller Bürgerinnen und Bürger keine Bedeutung mehr beigemessen wird. Die Eingriffsrechte des Staates sind immer auf ein notwendiges Minimum zu reduzieren. Schon diesen rechtsstaatlichen Grundsatz ignoriert der Gesetzesentwurf. Auch werden die verschiedenen Gesetzeskompetenzen der Länder und des Bundes nicht beachtet.

Die VDJ fordert von den Abgeordneten und dem Berliner Senat, den Gesetzesentwurf und das rechtswidrige Ansinnen der Initiative zur unzulässigen Überwachung und Grundrechtsverletzung zurückzuweisen.

www.vdj.de/mitteilungen/nachrichten/nachricht/volksbegehren-videoueberwachung-zielt-auf-ungebremste-und-uferlose-ton-und-videoueberwachung/

DMIR: "Rassistischen Äußerungen entgegentreten"

Hendrik Cremer, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Deutschen Instituts für Menschenrechte, erläutert anlässlich des Internationalen Tages gegen Rassismus am 21. März im Interview, warum der Kampf gegen Rassismus elementar für unsere plurale und vielfältige Gesellschaft ist.

Zur Situation in Deutschland merkt er an, dass "eine Verrohung der gesellschaftlichen Auseinandersetzung (zu beobachten sei) mit dem Ziel, die Grenzen des Sagbaren immer weiter zu verschieben und die Spaltung der Gesellschaft voranzutreiben. Die AfD fungiert hier quasi als Katalysator. Viele ihrer Funktionsträger in Partei und Fraktionen lassen kaum eine Gelegenheit verstreichen, um Feindbilder zu schaffen und Ängste und Verunsicherungen in der Bevölkerung zu verbreiten und auszunutzen, indem sie insbesondere Flüchtlinge und Muslime zu einer Bedrohung stilisieren. Dabei greifen sie regelmäßig zu einem Mittel, dass bei der Verbreitung rassistischer Positionen üblich ist: Sie beklagen den vermeintlichen Zwang zu 'politischer Korrektheit', um gleichzeitig zu rassistischen Verbalattacken auszuholen".

http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/aktuell/news/meldung/article/rassistischen-aeusserungen-entgegentreten/

EGMR verurteilt die Türkei wegen Inhaftierung von zwei Journalisten

In den Entscheidungen des EGMR gegen die Türkei vom 20.03.2018, die die Journalisten Mehmet Hasan Altan und Şahin Alpay betreffen, verurteilte das Gericht die Türkei wegen der Inhaftierung der beiden Journalisten und stellte eine Verletzung ihres Rechts auf Freiheit und Sicherheit sowie auf freie Meinungsäußerung fest.

Vor dem türkischen Verfassungsgericht hatten die Journalisten ihre Inhaftierung angegriffen und Recht erhalten. Das türkische Schwurgericht verweigerte ihre Freilassung mit der Begründung, dass es wegen der richterlichen Unabhängigkeit nicht an die Entscheidung des Verfassungsgerichtes gebunden sei. Dem entgegen befand der EGMR, dass es keinen begründeten Verdacht zur Rechtfertigung der Inhaftierung gegeben habe. Außerdem verstoße es gegen fundamentale Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit, wenn eine finale und bindende Entscheidung des Verfassungsgerichts durch ein anderes Gericht in Frage gestellt werde.

https://hudoc.echr.coe.int/eng#{%22itemid%22:[%22001-181862%22]}

https://hudoc.echr.coe.int/eng#{%22itemid%22:[%22001-181866%22]}

Im Unterschied dazu scheitern aktuell die meisten Klagen an den EGMR am Zugangserfordernis der Erschöpfung des nationalen Rechtswegs, was jüngst auf der Konferenz "Turkey and the European Court of Human Rights - (In-)effective remedy from Strasbourg" am 05.03.2018 - veranstaltet von Lawyers for Lawyers, Observatoire international des Avocats, Deutscher Anwaltverein, The Law Society of England and Wales, Europäische Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt - diskutiert worden ist. Die emeritierte britische Professorin und Menschenrechtsanwältin Francoise Hampson rief NGOs und Anwaltsvereine in West-Europa dazu auf, sich besser zu vernetzen. Sie schlug vor, eine Datenbank zu schaffen und Informationen über einzelne Fälle besser auszutauschen.

www.lto.de/recht/hintergruende/h/egmr-tuerkei-menschenrechte-verletzungen-rechtsstaat-beschwerden-rechtswegerschoepfung/

Deutschstunde des BGH: Generisches Maskulinum für jede(n) und für immer

Eine Kundin der Sparkasse Saarbrücken erwartete von ihrem Geldinstitut in ihren Formularen nicht ausschließlich von "Kunden" und "Kontoinhabern" zu sprechen, sondern auch von "Kundinnen" und "Kontoinhaberinnen".

Ebenso wie die Vorinstanzen bestätigte der 6. Senat des BGH in seinem Urteil vom 13.03.2018 die Beharrungskraft vorkonstitutioneller Denke. So streifte der Senat zwar distanziert historisch die Zeit in den 1970-er Jahren, in denen "die Benachteiligung von Frauen durch Sprachsystem sowie Sprachgebrauch als benachteiligend kritisiert" und diese Diskussion durchaus sprachverändernde Ergebnisse nicht nur in der Gesellschaft selbst, sondern gerade auch in den Landesgleichstellungsgesetzen mit sich brachte, aber wenn es um die Beurteilung von Diskriminierung geht, ist gesellschafltlicher Wandel jedenfalls keine Referenz. Allzeit und überzeitlich dienlich, zog das Gericht die juristische Figur der "objektiven Sicht 'eines' verständigen Dritten" heran, wonach maskuline Personenbezeichnungen auch Personen umfassen, die die dieses Geschlecht nicht haben. Solchermaßen grammatikalisch neutralisiert, soll dann der angegriffene Sprachgebrauch keine Geringschätzung bedeuten.

juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py

Unbedingt hörenswert der Podcast von WDR 5:

www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr5/wdr5-morgenecho-glosse/audio-maskulinum-fuer-alle-100.html

Strafverteidigervereinigung NRW: Gesetzentwurf zum PolG NRW ist rechtsstaatswidrig

Die Strafverteidigervereinigung lehnt den Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des PolG NRW ab. Sie sieht in den beabsichtigten Änderungen einen Dammbruch, bei dem zahlreiche rechtsstaatliche Tabus aufgehoben und der Weg zu einem reinen Sicherheitsstaat auf neuer Ebene beschritten werde. Die Eingirffschwellen zur Überwachung und Beschränkung der Rechte aller Bürger*innen reichen so weit in das Vorfeld, dass auch neutrale Handlungen erfasst werden.

Sicherheit sei, wenn man sie nicht mehr in Relation zur Freiheit setze, sondern nur noch auf Kontrolle beschränke, ein totalitärer Begriff. Die Landeregierung beweise mit diesem Gesetzentwuf, wie leicht aus der Staatsgewalt eine fragwürdige Gewalt des Staates werden kann, wenn der Gesetzgeber den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht befolge, sondern sich rein populistisch der derzeitigen allgemeinen Gefahrenhysterie hingebe.

Die Stellungnahme in vollem Wortlaut:

www.strafverteidigervereinigung-nrw.de/files/presseerklaerung_der_strafverteidigervereinigung_nrw_e.v.pdf

Achmea Urteil des EuGH: Konzernklagerechte in EU verstoßen gegen EU-Recht!

In einem Beitrag nimmt Prof. Dr. Markus Krajewski Stellung zu den "Auswirkungen des Achmea-Urteils des EuGH auf die EU-Investitionspolitik":

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 6. März 2018 in der Rechtssache Achmea klargestellt, dass Investitionsschutzabkommen zwischen EU­-Mitgliedstaaten (sog. Intra­-EU­-BITs), die über eine Inves­tor­-Staat­Streitbeilegung (ISDS) verfügen, gegen EU­-Recht verstoßen. Auch wenn sich die Ausführun­gen des EuGH auf den konkreten Fall eines Intra-­EU­-BIT bezogen, kann man aus dem Urteil ableiten, dass dies auch für Streitigkeiten zwischen einem EU­-Mitgliedstaat und einem EU­-Investor auf der Grundlage des Energiecharta­-Vertrags gilt. Nicht ganz klar ist, ob der EuGH seine Sichtweise auch auf Investitionsschutzabkommen der EU, wie etwa CETA oder den geplanten Multilateralen Investitions­gerichtshofs (MIC) übertragen würde. Dem Urteil lassen sich jedoch Hinweise entnehmen, dass jedes Investitionsabkommen, das Streitbeilegungsverfahren vorsieht, in denen EU-­Recht angewendet oder interpretiert werden kann und das keine Überprüfung dieser Interpretation durch den EuGH sicher­stellt, gegen EU­-Recht verstößt. Vor diesem Hintergrund dürfte CETA nicht ratifiziert werden und alle anderen EU-­Abkommen mit entsprechenden Streitbeilegungsklauseln nach dem derzeitigen Stand nicht unterzeichnet oder weiterverhandelt werden.

power-shift.de/wp-content/uploads/2018/03/PowerShift_BriefingPaper_Krajewski-Folgen-AchmeaUrteil-EU-Investitionspolitik-3-2018.pdf

Ständiges Völker-Tribunal verhandelt Kriegsverbrechen und staatlichen Terror der Türkei gegen Kurden

Auf dem Internationalen Tribunal gegen die Türkei am 15./16.03.2018 in Paris, veranstaltet von der IVDJ, EJDM, Maf-Dad und dem Kurdischen Institut in Brüssel wurde eine hundertseitige Anklage gegen den türkischen Staat, Präsident Recep Tayyip Erdogan und mehrere Militär- und Geheimdienstbeamte verhandelt.

Das Tribunal wird in zwei Monaten über die Anklagen entscheiden. Seine Schlussfolgerungen sollen dem EU-Parlament in Brüssel vorgetragen werden. Die Abgeordneten sollen dann darüber beraten, welche Maßnahmen zu ergreifen sind und welche politischen Initiativen folgen sollen.

https://www.jungewelt.de/artikel/329171.anklage-gegen-ankara.html?sstr=tribunal

https://www.heise.de/tp/features/Tuerkei-Tribunal-Tuerkischer-Praesident-auf-der-Anklagebank-4001067.html?seite=all

Lesegut: "Denn sie wissen was sie tun" von Ernst Ottwalt

Wer in den 70-er Jahren sein Jurastudium begann und sich in linken Zusammenhängen an der Universität organisierte, befasste sich gerade auch mit Klassenjustiz und stieß dabei auf ein Buch, das es damals auf Markt gar nicht gab, sondern nur als Raubdruck, den Justizroman aus dem Jahr 1931 von Ernst Ottwalt "Denn die wissen was sie tun".

Der Protagonist, Landgerichtsrat Dickmann, antirepublikanisch bis ins Mark und Exekutor rigider Klassenjustiz,  verhängt angesichts der verheerender Arbeitslosigkeit und Armut drakonische Strafen wegen Bettelei, Obdachlosigkeit und Landstreicherei. Während Delinquenten aus den unteren Schichten gnadenlos abgeurteilt wurden, kamen Täter aus den oberen Schichten meist ohne Verurteilung davon. Dickmann fällt seine Urteile – nicht immer über Zweifel erhaben, aber grundsätzlich gilt: im Zweifel für sich selbst. Es gibt keine Gleichheit vor dem Gesetz. Die Kleinen hängt man und die Großen lässt man laufen: Rechts vor links und reich vor arm.

Kurt Tucholsky hat sich 1932 stark für das Buch eingesetzt: "Was mir gefällt, ist: dieser Jurist ist kein schwarzes Schwein, kein wilder Berserker, kein besonders bösartiger Mensch – er ist das Produkt von Erziehung, Kaste und System. Es ist gut gesehen, wie die Rädchen des großen Unrechtgetriebes ineinander greifen, Akte auf Akte, Paragraph auf Paragraph, (...) und zum Schluss ist es keiner gewesen."

Den Roman wiederentdeckt und jüngst wieder veröffentlicht zu haben, ist ein Verdienst des Verlags Das kulturelle Gedächtnis.

daskulturellegedaechtnis.de/work/ottwalt/

Termine - Veranstaltungen

• Bundesweit: Ostermärsche 2018: Fr, 30.03. - Mo, 02.04.2018: www.friedenskooperative.de/termine

• Hamburg: Fortsetzung der Sitzung des Sonderausschusses „Gewalttätige Ausschreitungen rund um den G 20-Gipfel in Hamburg“ am Do, 05.04.2018 17h00, Rathaus, Großer Festsaal, Rathausmarkt 1, 20095 Hamburg und als Livestream über: www.hamburgische-buergerschaft.de

• Frankfurt/M.: Frühjahrstagung des AK Arbeitsrecht, Sa, 07.04.2018, 10h30 - 16h00 in der IG Metall Vorstandverwaltung (Main-Fo rum),Wilhelm-Leuschner-Straße 79, Frankfurt am Main,Konferenzraum 2 / Konferenzbereich 3. Stock.

Themen, Ablauf und organisatorische Hinweise: www.vdj.de/aktivitaeten/termine/termine/ak-arbeitsrecht-fruehjahrstagung-sa-0704-und-herbsttagung-sa-20102018-in-der-igm-vorstandsverwaltung-in-frankfurtm/

• München: Diskussionsveranstaltung "Solidarität! Kommt und hört wie die deutsche Leitkultur zuschlägt" zum Bayerisches Ausgrenzungsgesetz, der Neuregelung des § 114 (2) StGB,  dem„Gefährdergesetz“ in Bayern, der erneuten Änderung des Polizeiaufgabengesetzes, Fr, 13.04.2018, 18h00 im DGB-Gewerkschaftshaus, großer Saal, Schwanthalerstr. 64, 80336 München; Veranstalter: Aktiv gegen rechts in ver.di München und GEW, Stadtverband München

• Frankfurt/M.: Frühjahrstagung des AK Familienrecht/Sozialpolitik, Sa, 26.05.2018, 10h00 bis 16h00 im Saalbau Gutleut, Rottweiler Straße 32, Frankfurt im großen Saal.

Themen, Ablauf und organisatorische Hinweise: www.vdj.de/aktivitaeten/termine/termine/ak-familienrecht-familienrecht-kompakt-in-frankfurt-m-sa-2605-0809-und-27102018/

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