VDJ Info 19/2020 vom 17.12.2020

Pandemieeindämmung: Kein Recht am Ende des Tunnels

Mit der Novelle des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) vom 18.11.2020 will die Bundesregierung die bisher ergriffenen Corona-Eindämmungsmaßnahmen auf einen rechtlichen Boden stellen. Vorher hatten mehrere Gerichte Zweifel daran geäußert, ob die Maßnahmen der Länder von § 28 IfSG gedeckt sind. Die VDJ weist in einer Pressemitteilung darauf hin, dass eine hinreichende Rechtsgrundlage für Lockdown light und Lockdown weiterhin fehlt und fordert, in den Modus einer parlamentarischen und verhältnismäßigen Pandemiebekämpfung überzugehen, die nicht einseitig Wirtschaftsinteressen privilegiert und Kontaktreduzierung auf die Freizeit beschränkt. Die vollständige Pressemittlung vom 15.12.2020 findet sich hier.

Endlich rechtssicher - Nach 15 Verfahrensjahren bestätigt das BVerwG: Die Überwachung von Rolf Gössner durch das Bundesamt für Verfassungsschutz war rechtswidrig

Nach vier Jahrzehnten geheimdienstlicher Überwachung und 15 Jahren Verfahrensdauer hat das Bundesverwaltungsgericht Leipzig am 14. Dezember 2020 die Revision der beklagten Bundesrepublik Deutschland im Rechtsstreit gegen den Litten-Preisträger Dr. Rolf Gössner zurückgewiesen (BVerwG 6 C 11.18). Damit bleibt es auch in letzter Instanz dabei, dass die 38 Jahre währende Überwachung und Ausforschung des Rechtsanwalts, Publizisten und Bürgerrechtlers Rolf Gössner durch das Bundesamt für Verfassungsschutz grundrechtswidrig war.

Mit diesem höchstrichterlichen Urteil bestätigt das BVerwG die Rechtswidrigkeit des Handels aller 13 seit 1970 verantwortlichen Bundesinnenminister und 12 Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz. Eine weitere Blamage für das skandalerprobte Bundesamt und das Innenministerium, aus der endlich Konsequenzen für eine grundrechtskonforme und der Demokratie würdige Innen- und Sicherheitspolitik folgen müssen.

DAV/ AG Migrationsrecht: Verordnungsinitiative für die Einholung oder Verlängerung von Aufenthaltstiteln im Bundesgebiet aufgrund der COVID-19-Pandemie

Der Ausschuss Migrationsrecht im DAV hat in einer Initiativstellungnahme eine Verordnung zur vorübergehenden Befreiung vom Erfordernis der Nachholung eines Visumverfahrens aufgrund der COVID-19-Pandemie für bereits im Bundesgebiet aufhältige Personen vorgeschlagen.

Diese Personen, für welche die Erteilung eines Aufenthaltstitels im Inland ausschließlich daran scheitert, dass (noch) kein Visumverfahren durchgeführt wurde, sollen von dem Visumverfahren befreit werden. Dieser Personenkreis soll das Visumverfahren nicht in einem Risikogebiet oder in einem von einer Reisewarnung betroffenen Land durchführen müssen. Der Aufenthaltstitel soll direkt durch die Ausländerbehörden im Inland erteilt werden. So werden sowohl die Betroffenen als auch die Auslandsvertretungen entlastet.

HU: „Öffentlich-rechtlicher Rundfunk zu kostbar für Politspielchen“

In einer Stellungnahme vom 14.12.2020 greift die Humanistische Union den Widerstand gegen die Rundfunkgebührenerhöhung durch den Ministerpräsidenten und die CDU-Fraktion in Sachsen-Anhalt an. Die Ignoranz gegenüber der Arbeit der KEF und die Blockade der Ratifizierung des Rundfunkstaatsvertrages verkenne das Gebot der Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, was durch ausreichende Finanzierung gesichert werden müsse. Was umso schwerer wiege, weil sich mit der Blockade ein Schulterschluss mit der oppositionellen AfD ergeben habe, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als „Staatsfunk“ diffamiere.

NRV: Appell an Europäische Kommission – Ende-zu-Ende-Verschlüsselung nicht den Sicherheitsbehörden opfern!

Digitale Kommunikation, deren Inhalt nur Sendende und Empfangende – nicht einmal am Übermittlungsvorgang beteiligte IT-Dienstleistende und Betreibende der Chat-Anwendungen – lesen können (Ende-zu-Ende-Verschlüsselung), ist unverzichtbar für JournalistInnen, AktivistInnen, AnwältInnen, Whisteblower und Unternehmen.

Angesichts einer aktuellen Resolution des Rates der Europäischen Union – unter deutschem Vorsitz – ist die Neue Richtervereinigung nun in großer Sorge mit vielen Stimmen aus Zivilgesellschaft und Wirtschaft vereint. „Sicherheit durch Verschlüsselung und Sicherheit trotz Verschlüsselung“

Mit der beschlossenen Resolution fordern die EU-InnenministerInnen die Europäische Kommission auf, einen gesetzlichen Rahmen für den Zugriff auf Ende-zu-Ende-verschlüsselte Kommunikationsinhalte zu entwickeln.

VDJ unterstützt Aktion Mensch Pirna – Patenschaft für Art. 21 AEMR

Im Rahmen der Aktionswoche eines breiten Bündnisses von zivilgesellschaftlichen Organisationen und des Oberbürgermeisters der Stadt Pirna hat die Aktion „Mensch Pirna“ am 72. Jahrestag der Allgemeinen Menschenrechte auf die Bedeutung der Erklärung als gemeinsame Werte, gerade auch in Krisenzeiten, hingewiesen. Hierzu sind im Stadtgebiet Fußbodenaufkleber zu den einzelnen Artikeln verlegt worden. Die VDJ hat als Teil des Bündnisses die Patenschaft für Art. 22 AEMR (Recht auf soziale Sicherheit) übernommen.

Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung: Änderungen bei der Gemeinnützigkeit

Der Bundestag hat am 16.12.2020 die 2./3. Lesung des Jahressteuergesetzes mit vielen Änderungen zur Gemeinnützigkeit begonnen. Der Bundesrat wird am 18.12.2020 zustimmen. Die Allianz hat alle (voraussichtlichen) Änderungen dargestellt – und auch, was fehlt. Zu letzterem gehören dringend nötige Klarstellungen zu politischen Tätigkeiten. Denen soll sich die Fraktion von CDU/CSU verweigert haben. Als neue gemeinnützige Zwecke sind anerkannt: Klimaschutz, Hilfe gegen Diskriminierung wegen geschlechtlicher Orientierung oder geschlechtlicher Identität, Freifunk, Ortsverschönerung, Pflege von Friedhöfen oder Denkmälern für totgeborene Kinder und Hilfe für rassistisch (statt rassisch) Verfolgter.

Bayerischer VGH: Landeshauptstadt München muss Veranstaltungssaal für BDS-Podiumsdiskussion zur Verfügung stellen

Zum Thema „Wie sehr schränkt München die Meinungsfreiheit ein“ wollte der Kläger 2017 eine Podiumsdiskussion in einem Saal der Stadt München abhalten. Sie sollte sich kritisch mit dem Beschluss des Stadtrats auseinandersetzen, der städtische oder städtisch geförderte Räume für Veranstaltungen zum Thema BDS blockiert. Der VGH München hat nun entschieden, dass die Stadt bei der Festlegung von Zielen höherrangiges Recht beachten muss und dass der Beschluss wie die Verweigerung eines Raums gegen die Meinungsfreiheit des Klägers verstößt. Eine Besprechung des Urteils findet sich auch hier.

Bayerischer VGH zur Verfassungsmäßigkeit des § 28a IfSG

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in einem Normenkontrolleilverfahren mit Beschluss vom 8.12.2020 - Az. 20 NE 20.2461 - abgelehnt, die Regelungen der Neunten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (9.BayIfSMV) zu Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum und zu Gastronomieschließungen vorläufig außer Vollzug zu setzen.

Der Senat hat auch keine schwerwiegenden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 28a IfSG. Zwar seien die dort geregelten Befugnisse der Infektionsschutzbehörden zum Teil sehr weitgehend und in die Grundrechte der Betroffenen tief eingreifend. Auf der anderen Seite seien sie allein auf die Corona-Pandemie zugeschnitten.

Nicht ersichtlich sei, dass der Gesetzgeber seinen Gestaltungsrahmen bei der für entsprechende Eingriffe notwendigen Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite überschritten habe. Den Behörden und Fachgerichten sei auch genügend Spielraum belassen worden, um eine verhältnismäßige Anwendung der Befugnisnormen im Einzelfall sicherzustellen. Die bisher geäußerten Zweifel des Senats im Hinblick auf den Parlamentsvorbehalt habe der Gesetzgeber mit der Neuregelung weitgehend ausgeräumt

BVerfG: Erweiterte Datennutzung („Data-mining“) nach dem Antiterrordateigesetz teilweise verfassungswidrig

Mit Beschluss vom 10.12.2020 – Az. 1 BvR 3214/15  - hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts § 6a Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur Errichtung einer standardisierten zentralen Antiterrordatei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern (Antiterrordateigesetz - ATDG) für mit Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar und damit nichtig erklärt. Im Übrigen ist § 6a ATDG verfassungsgemäß.

Die Regelung des § 6a Abs. 2 Satz 1 ATDG verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Sie genügt nicht den besonderen verfassungsrechtlichen Anforderungen der hypothetischen Datenneuerhebung („informationelles Trennungsprinzip“). Aufgrund der gesteigerten Belastungswirkung einer erweiterten Nutzung einer Verbunddatei der Polizeibehörden und Nachrichtendienste muss diese dem Schutz von besonders gewichtigen Rechtsgütern dienen und auf der Grundlage präzise bestimmter und normenklarer Regelungen an hinreichende Eingriffsschwellen gebunden sein.

Zeigen des YPG-Symbols kein Straftatbestand

Das Amtsgericht Duisburg hat mit Beschluss vom 13.11.2020 – Az. 204 Cs-114 Js 210/19-215/2 - den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlass eines Strafbefehls wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz im Zusammenhang mit einer Flagge der Volksverteidigungseinheiten YPG (kurd. Yekîneyên Parastina Gel) aus rechtlichen Gründen abgelehnt.

Daseinsvorsorge lohnt sich nicht

Nach den Eregebnissen einer Studie der Prognos AG zu Prodktivität und Lohneinkommen bis 2025 für die Bertelsmann-Stiftung bleiben die „Corona-Helden beim Einkommen abgehängt“. Dazu gehören vornehmlich Angehörige des Gesundheits- und Sozialwesen, des Einzelhandels und Alleinerziehende, die deutlich unterdurchschnittliche Einkommensperspektiven zu erwarten haben.

Interessant ist, wie sog. „Produktiviätsdynamiken“ ergebnissteuernd als ausschließlich wertbildende Faktoren insoweit dann auch die jeweilige Lohnentwicklung bestimmen. So überrascht es nicht, dass nach der Studie deshalb „Produktivitätssteigerungen auch in den arbeitsintensiven Branchen, in der Pflege oder dem Gesundheitswesen, auf die Agenda rücken (müssen). Die Digitalisierung von Abläufen und Dokumentationen etwa bietet hier noch reichlich produktivitätssteigerndes Potenzial“, von denen „'am Ende' (sic) auch die Erwerbstätigen profitieren“.

EU-Gesetzgebung hinter verschlossenen Türen

Jenseits von Öffentlichkeit und Transparenz verhandeln die Beamten der nationalen Regierungen im Rat der EU Europas Gesetze. Wer dort wie über was genau verhandelt, und welche nationale Regierung welche Position vertritt, halten die beteiligten nationalen Beamten systematisch geheim. Darum sei es "für die Bürger praktisch unmöglich, zu erfahren, wie ein europäisches Gesetz zustande gekommen ist“. Das greift auch die Legitimität der EU an, wie die Obudsfrau O’Reilly feststellt. Zu gleichen Befunden kommt auch Transparency International. Das Journalistenteam Investigate Europe hat eine Langzeitrecherche darüber begonnen, wie es zugeht, wenn nationale Diplomaten die Gesetze für die EU schmieden.

Lesbares: Personalie Dr. Andreas Heusch - „10 Jahre Verfassungsbruch im Verwaltungsgericht Düsseldorf“

In seiner Streitschrift „10 Jahre Verfassungsbruch im Verwaltungsgericht Düsseldorf: Wie lange noch“ thematisiert Dr. Ralf Feldmann, RiAG a.D. den Verstoß gegen die verfassungsrechtliche Neutralitätspflicht durch den Präsidenten des VG Düsseldorf, der bereits nach Beginn seiner Tätigkeit am Tag der Deutschen Einheit 2010 im Haupttreppenhaus des Gerichts ein Kreuz anbringen ließ, was als persönliche Antwort des gläubigen Katholiken gegen den Kruzifixbeschluss des Bundesverfassungsgerichts von 1995 zur Verfassungswidrigkeit von Kreuzen in öffentlichen Räumen des Staates zu verstehen und bis heute durch Justizgremien unbeanstandet geblieben sei. Das Kreuz vordergründig auf ein Symbol für die kulturellen Grundlagen unserer Gesellschaft zu reduzieren, wie es Heusch vertreten habe, offenbare identitäres politisches Denken, das sich auch in seinen diversen Meinungsäußerungen zu Asylverfahren widerspiegele.

Der Betrag von Feldmann versteht sich auch als „Plädoyer gegen einen weiteren Aufstieg des Präsidenten“. Nachdem Heusch bereits seit 2014 dem Landesverfassungsgericht NW angehört und seit Anfang 2020 dortiger Vizepräsident ist, wird demnächst die Position des Präsidenten am OVG NW durch den bevorstehenden Ruhestand der derzeitigen Präsidentin Ricarda Brandts vakant.

Angesichts weiterer beruflicher Ambitionen hat Ralf Feldmann sich mit einem Appell an den Ministerpräsidenten des Landes NW, den Justizminister, den Landtag u. a.gewandt, dem die VDJ sich anschließen wird und der auch durch individuelle an den Justizminister des Landes NW Peter Biesenbach gerichtete Erklärungen an poststelle@jm.nrw.de unterstützt werden kann.

Neuer Geschäftssitz der VDJ in Frankfurt am Main ab 01.01.2021

Ort der Geschäftsstelle der VDJ ist ab Januar 20121 das Büro des Bundessekretärs Andreas Engelmann in 60311 Frankfurt am Main, Saalgasse 10, Email: Bundessekretaer@vdj.de

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